Tempolimit: Faktenlage Autobahn

22.2.2019, 16:20 Uhr
Tempolimit: Faktenlage Autobahn

© ampnet/ACE

Die unlängst aufgeflammte, inzwischen aber wieder abgeebbte Debatte über ein generelles Tempolimit auf Autobahnen wurde unter anderem durch Meldungen aus Brandenburg ausgelöst. Hintergrund: Auf einem 62 km langen Abschnitt der A24 zwischen Wittstock/Dosse und Havelland waren die tödlichen Unfälle signifikant zurückgegangen, nachdem dort ein Tempolimit (130 km/h) eingeführt wurde. Der drastische Rückgang - in der Ausgangsmeldung eines Nachrichtenmagazins ist von einer Halbierung die Rede - ist Fakt. Allerdings, und das sollte man wissen, bezieht sich die Gesamtbetrachtung bis zurück ins Jahr 2002, als auf diesem Abschnitt der Verkehr noch etwas stärker, die Rettungs-Meldekette (Mobilfunk) schlechter und die Sicherheitsausstattung (Airbags, ABS, ESP, Crashverhalten) weitaus weniger anspruchsvoll war. Zudem stieg seitdem die Gurtanlegequote. Dennoch: ein Erfolg.

Erstaunliche Feststellungen

In diesem Zusammenhang hätte man aber der Ordnung halber auch einen Blick auf das Gesamtgeschehen aller Autobahnunfälle mit Toten werfen müssen. Dies wurde unterlassen, dabei hätte das zu erstaunlichen Feststellungen geführt. Zunächst einmal muss man dazu wissen, dass von 2002 bis 2017 (das letzte Jahr, für das von den Statistik-Behörden detaillierte Zahlen vorliegen) die Länge der deutschen Autobahnen um 10,1 Prozent zugenommen hat. Mehr Autobahnstrecken bedeuten aber auch mehr Verkehr und höhere Unfallgefahr - wogegen in der Regel benachbarte Landstraßen entlastet werden. Doch nicht nur das: Auch die Fahrleistung hat zwischen 2002 und 2017 zugenommen, und zwar um 19 Prozent. Mehr Verkehr ist aber in diesem Fall gleichzusetzen mit mehr Unfällen.

um 19 Prozent. Mehr Verkehr ist aber in diesem Fall gleichzusetzen mit mehr Unfällen.

Fußgänger auf der Autobahn

Allerdings, und das war in der Berichterstattung vor einigen Wochen keiner Erwähnung wert, ging die Zahl der Autobahntoten zwischen 2002 und 2017 ohnehin um über 52 Prozent zurück - also ebenfalls eine Halbierung (von 857 auf 409). Dabei sollte man noch wissen, dass 101 dieser 409 Verkehrstoten laut Bundesanstalt für Straßenwesen auf "Güterkraftfahrzeuge" entfielen, 30 auf Motorradfahrer und immerhin 29 auf Fußgänger. Laut BASt wurden wiederum 181 der (Gesamt-)Toten auf die Ursache "zu schnelles Fahren" zurückgeführt. Dabei ist das aber ein dehnbarer Begriff, denn bei Schnee und Eis, bei dichtem Nebel oder bei Aquaplaning geht auch schon Tempo 80 oder 100 auf die Ursache "zu schnell" zurück.

Inkludiert sind hier freilich auch jene Abschnitte, die ein Geschwindigkeitslimit aufweisen bzw. die durch variabel geschaltete Tempolimits teilbeschränkt sind. Unstrittig ist indes, dass es 2018 wohl mehr Verkehrstote auf den Schnellstraßen gab, wobei, wie erwähnt, die Detail-Zahlen noch fehlen.

Tempo 150 als Kompromiss?

Da im Zusammenhang mit der Unfallbilanz auch immer wieder von "Rasern" die Rede ist und dabei gerne auf das Ausleben von Geschwindigkeiten im Bereich von 200 km/h und mehr verwiesen wird, sollte in die Debatte Eingang finden, dass man diese sicherlich gefährlichen Tempo-Spitzen nicht nur mit dem vor allem von Vielfahrern ungeliebten 130 km/h kappen könnte. Tempo 140 oder 150 als Kompromiss wäre vermutlich allen Beteiligten leichter zu vermitteln und würde auch bei jenen, die sich zumindest auf langen Strecken und bei leerer Autobahn gerne etwas flotter fort-bewegen möchten, eine höhere Akzeptanz finden.

Gerhard Windpassinger

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