Zu alt für den Führerschein?

19.11.2018, 17:26 Uhr
Zu alt für den Führerschein?

© ampnet/Aged Car Guide

Während deutsche Senioren letztlich so lange unbehelligt Auto fahren dürfen, wie sie möchten, herrschen in anderen Ländern strengere Vorschriften. In Spanien, England, der Schweiz, den Niederlanden oder in Griechenland müssen sich ältere Menschen regelmäßig bestimmten Tests unterziehen und so ihre Fitness für den Straßenverkehr unter Beweis stellen. Damit ist keine erneute Führerscheinprüfung gemeint, vielmehr geht es um eine Überprüfung von Schlüsselqualifikationen wie Hör-, Seh- oder Reaktionsvermögen. Meist werden solche Tests erst in verhältnismäßig hohem Alter relevant, ab 70 oder 75 Jahren beispielsweise. In Italien hingegen muss man sich schon ab 50 alle fünf Jahre einer medizinischen Untersuchung unterziehen, damit die Fahrerlaubnis verlängert wird.

Fahrtauglichkeitsuntersuchung angeordnet

Aber auch deutsche Führerscheinstellen können eine Fahrtauglichkeitsuntersuchung anordnen. Das geschieht dann, wenn der begründete Verdacht auf eingeschränkte Fahrtüchtigkeit besteht. Zunächst einmal erfolgt ein Gespräch mit dem betroffenen Senior. Bleiben auch danach noch Zweifel bestehen, folgen Untersuchungen, etwa durch einen Amtsarzt, Berufs- oder Arbeitsmediziner. Der Hausarzt kommt hierfür nicht infrage. Überprüft werden meist die erwähnten Schlüsselqualifikationen, Seh-, Hör- und Reaktionsvermögen also, ebenso die körperliche Beweglichkeit. Es kann aber auch passieren, dass ein Medizinisch-Psychologisches Gutachten angefordert wird.

Wenn die Untersuchung eine Fahruntauglichkeit bestätigt, wird die Führerscheinstelle tätig. Entweder entzieht sie den Führerschein ganz. Oder sie schränkt die Fahrerlaubnis ein, etwa, indem bestimmte Auflagen (zum Beispiel das Tragen einer Brille) in den Führerschein eingetragen werden. Betroffene können gegen den Bescheid Widerspruch einlegen, müssen aber "den Führerschein trotzdem erst einmal abgeben und dürfen nicht Auto fahren, bis endgültig über das Verfahren entschieden ist", wie Gerd Achim Klöß sagt, Kooperationsanwalt der Deutschen Anwaltshotline.

Besser freiwillig den "Schein" abgeben?

Wenn ein Senior, der zur Untersuchung gebeten wird, auch selbst Zweifel an seiner Fahrtüchtigkeit hegt, dann tut er unter Umständen gut daran, den Führerschein freiwillig abzugeben. "Tun Sie das nicht und lassen es auf die Untersuchung und ein Verfahren ankommen, müssen Sie auch die Kosten tragen", warnt Anwalt Klöß.

Es gibt zudem die Möglichkeit, seine fahrerischen Fähigkeiten unverbindlich überprüfen zu lassen - etwa im Rahmen freiwilliger Fahrfitness-Tests, die Automobilclubs, der TÜV oder manche Fahrschulen durchführen. Rechtlich gesehen bleiben solche Tests ohne Konsequenz. Wer hier unsicher agiert, sollte zwar darüber nachdenken, mit dem Autofahren aufzuhören - dazu gezwungen wird er aber nicht.

Angehörige müssen nicht petzen

Familienmitglieder sind übrigens nicht dazu verpflichtet, einen ihrer Meinung nach fahruntauglichen Angehörigen der Führerscheinstelle zu melden. Anders kann sich die Situation im Falle eines gerichtlich bestellten Betreuers darstellen, wenn dieser nicht nur für Gesundheit und Finanzen, sondern für jede Handlung der ihm anvertrauten Person verantwortlich ist. Und auch der Arzt kann tätig werden. "Unter sogenannten Notstandsgesichtspunkten darf der Arzt seine Schweigepflicht brechen, um die Führerscheinstelle über eine Fahruntauglichkeit zu informieren", sagt Gerd Achim Klöß. Allerdings muss der Mediziner seinen Patienten vorher umfassend über die Diagnose sowie die daraus resultierende Fahruntauglichkeit aufgeklärt und dies auch schriftlich dokumentiert haben. Nur wenn der Patient trotzdem weiter Auto fahren will, kann der Arzt die Führerscheinbehörde informieren.

Deutsche Senioren dürfen unbesorgt auch in jenen EU-Ländern bzw. in den Ländern des Europäischen Wirtschaftsraums (EWR) Auto fahren, die ihren Bürgern eigentlich Altersgrenzen aufzeigen. Nähere Informationen sollte man aber einholen, wenn man ganz in ein solches Land umziehen möchte, wenn es sich um ein Nicht-EU-Land handelt oder wenn man einen Mietwagen buchen möchte. In letzterem Fall ist oft eine Altersgrenze zu beachten.

Schwere Unfälle verursachen eher die Jungen

Dass die älteren unter Deutschlands Autofahrern von regelmäßigen Tests verschont bleiben, kommt nicht von ungefähr. "Auch wenn Senioren häufiger Unfälle verursachen als andere Bevölkerungsgruppen, sind sie gemessen an der Gesamtbevölkerung doch eher selten in schwere Unfälle verwickelt," heißt es bei der Deutschen Anwaltshotline. Dramatische Crashs mit schwerwiegenden Folgen sind eher eine traurige Spezialität junger männlicher Fahrer im Alter zwischen 18 und 25 Jahren. Im Vergleich zu ihnen fahren Senioren zwar seltener Auto, dafür aber meist vorsichtiger und auch vorausschauender.

ule

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