"Barfuß in Paris": Gemeisterte Misslichkeiten des Alltagslebens

7.9.2017, 09:00 Uhr

© Film Kino Text

Fiona sieht aus wie die Quintessenz einer kanadischen Touristin, die eben in Paris gelandet ist: Turmhoher Rucksack mit Ahornflagge obendrauf, rote Haare, fliehendes Kinn und eine verzweifelt entschlossene Miene. Eben noch in ihrer vom Schneesturm umtosten Bibliothek, jetzt eingeklemmt in einer Ticketschranke der Metro. Nichts, was dieses entfernt an eine Giraffe erinnernde Wesen abhalten könnte, nach seiner alten Tante Martha zu suchen, die offenbar in höchster Bedrängnis einen schriftlichen Hilferuf geschickt hat.

Mittlerweile ist Tante Martha aus ihrer Wohnung vor den Schergen des Altersheims geflohen und führt ihre charmante Demenz über die SeineQuais rund um den Eiffelturm spazieren. Wo dann auch eine zunehmend verzweifelte Fiona dank Rucksack rückwärts ins Wasser kippt. Alles was wichtig ist, schwimmt davon und in die Hände eines dreisten Clochards namens Dom, der männlichen Hälfte des Komiker-Duos.

Seit den 80ern sind die beiden in Paris, deshalb hat "Barfuß in Paris" auch ein Menge Autobiografisches. Später gründeten sie in Belgien ihre eigene Theater-Compagnie "Courage mon amour", mit deren bisher vier Stücken sie in der ganzen Welt gastierten. Seit 1994 entstanden zudem drei Kurz- und drei Langfilme, allesamt bei Festivals vertreten, hierzulande kaum bekannt. Was womöglich daran liegt, dass sich Abels und Gordons Komik zwar an Jacques Tati, Chaplin oder Buster Keaton orientiert, niemals aber deren Fallhöhe wagt, um von echter Tragik, Bosheit und ähnlich Unschönem zu bissiger Komik zu gelangen.

Dafür werden die beiden gerne inmitten aller slapstickhaft gemeisterten Misslichkeiten des Lebens poetisch, im schlimmsten Falle putzig. Die Gastauftritte der kürzlich verstorbenen Emmanuelle Riva — Star bei Melville und Michael Haneke — als Martha sowie des ehemals Großen Blonden, Pierre Richard, sind rührend ohne ein adäquat verabreichtes bissiges Gegengift. Dabei können Abel und Gordon in einzelnen Szenen unschlagbar komisch sein. Die bizarre Gedenkminute für Tante Martha, deren Asche samt biologisch abbaubarer Urne im Regenguss zermatscht, oder die beiden Aschehügelchen, die Fiona aufhäufelt, als sie glaubt, Dom wäre aus Versehen mit Martha verbrannt worden, das ist lieb und gleichzeitig sehr, sehr komisch. (F/83 Min.)

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