"Bohemian Rhapsody": Freddies Wiederauferstehung

30.10.2018, 08:57 Uhr

© Foto: Fox

Es gibt Menschen, die sind zur Rampensau geboren, und der Queen-Sänger Freddie Mercury gehört auf jeden Fall dazu. Selbst wenn man sich heute auf YouTube die Konzertmitschnitte in grieseliger Achtziger-Jahre-Qualität anschaut, beamt sich die Bühnenpräsenz des 1946 als Farrokh Bulsara im Sultanat Sansibar, dem heutigen Tansania, geborenen Musikers mühelos durch Zeit und Raum. Bevorzugt mit freiem Oberkörper und hautengen Hosen trat er vor sein Publikum, strotzend vor ungetrübtem Selbstbewusstsein und maskulinem Sexappeal.

Natürlich war es an der Zeit, dass dem legendären Sänger, der 1991 an den Folgen einer HIV-Infektion starb, ein filmisches Denkmal gesetzt wird. Aber von Peter Morgans erstem Drehbuchentwurf bis zur Fertigstellung von "Bohemian Rhapsody" vergingen fast zehn Jahre. Zwischenzeitlich war sogar der Berufsexzentriker Sasha Baron Cohen ("Borat") für die Hauptrolle unter Vertrag, der sich jedoch schon bald mit der Produktionsfirma verkrachte.

Damit wurde der Weg frei für Rami Malek, der kürzlich erst in "Papillon" sehr positiv aufgefallen ist und sich nun mit Haut und Haaren einem Part verschrieben hat, an dem man eigentlich nur scheitern kann. Aber Malek rockt und bringt Mercury in all seiner schillernden Ambivalenz zum Leuchten.

Zarter Körper, großes Ego

Als er anfangs der Band, der gerade ihr Lead-Sänger weggelaufen ist, seine Sangesdienste anbietet, wirkt Freddie noch wie ein linkisches Bürschchen mit Überbiss. Aber sobald er zum ersten Song ausholt, erkennt man das große Musiker-Ego, das in diesem zarten Körper steckt.

Regisseur Bryan Singer ("X-Men") konzentriert sich auf die Kernphase der Bandgeschichte von der Gründung 1970 bis zum legendären Auftritt beim Live-Aid-Konzert am 13. Juli 1985 im Londoner Wembley-Stadion. Neben den Konzerten, in denen die ganze musikalische Wucht von Band und Sänger gebührend zur Geltung gebracht wird, stehen vor allem die gruppendynamischen, kreativen Prozesse im Vordergrund, die zu bekannten Hits wie "We Will Rock You" oder "Bohemian Rhapsody" geführt haben.

"Galileo" auf dem Bauernhof

Als Mercury im Produzentenbüro Opernmusik als Inspiration für das neue Album "Night at the Opera" auflegt, verzieht EMI-Chef Ray Foster (Mike Myers) das Gesicht. So etwas ließe sich nicht verkaufen und im Radio bekäme man Songs, die länger als drei Minuten laufen, ohnehin nicht unter. Auf einem alten Bauernhof komponiert die Band "Bohemian Rhapsody" und die umherlaufenden Hühner werden als Inspirationsquelle für die hohen "Gallileo"-Sentenzen ausgemacht.

In einer anderen Szene kommt Freddie wieder einmal zu spät zur Probe und findet die anderen Bandmitglieder vor, die gerade zweimal mit den Füßen auf den Holzboden stampfen und danach einmal in die Hände klatschen. Super Rhythmus. Fehlt nur noch der Text. Ein Schnitt später steht Queen auf der Bühne und gibt "We Will Rock You" zum Besten.

Homosexuelles Comingout

Singer findet eine gesunde Balance zwischen solch anekdotischen Szenen, euphorischen Konzertinszenierungen und den biografischen Verstrickungen Mercurys, der nach einer langjährigen Beziehung zu der Verkäuferin Mary Austin (Lucy Boynton) sein homosexuelles Comingout hat. Ab Anfang der 80er vergnügt er sich in der Münchner Schwulenszene und kehrt nach der Arbeit an einem Solo-Album reuig zur Band zurück.

Als Finale re-inszeniert Singer mit großem logistischen Aufwand den Auftritt beim Live-Aid-Konzert im Wembley-Stadion, der hier fast in Originallänge nachgestellt wird – und Mercury noch einmal voll in seinem Element zeigt. (Viele Kinos zeigen "Bohemian Rhapsody" bereits heute Abend als Preview; regulär startet der Film morgen im Programm.)

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