"Der traumhafte Weg": Wenn das Leben einfach passiert

27.4.2017, 17:20 Uhr
Die Regisseurin Angela Schanelecs weiß ganz genau, mit welchen Bildern sie ihr Publikum bewegt. Die Filmemacherin konstruiert nichts, sondern beobach­tet – in Nahaufnahmen.

© Piffl Die Regisseurin Angela Schanelecs weiß ganz genau, mit welchen Bildern sie ihr Publikum bewegt. Die Filmemacherin konstruiert nichts, sondern beobach­tet – in Nahaufnahmen.

Die 1962 geborene Filme­macherin steht für ein Ki­no, das sich üblichen Er­wartungen von Handlung und Erzählung entzieht. Auch "Der traumhafte Weg" lebt ganz von seinen Bildern, die sich in loser Szenenfolge auf die Figu­ren konzentrieren und dem Zuschauer viel Raum ge­währen, sich in ihr Innenle­ben einzufühlen. Es beginnt 1984 in Grie­chenland, wo der Brite Ken­neth (Thorbjörn Björnsson) und die Deutsche Theres (Miriam Jakob) – ein junges Liebes­paar – sich ihre Ferien mit Straßenmu­sik finanzieren.

"The Lion Sleeps Tonight" singen sie, doch kurz darauf sieht man Kenneth an einer Telefon­zelle stehen. Dass ihm Schreckliches mitgeteilt wird, das zeigt Schanelec ganz ohne Worte nur mit dem Blick auf seinen Körper, der zusammen­sackt und von zupackenden Armen aufgefangen wird. Kenneth’ Mutter ist schwer verun­glückt, er reist zurück nach London, wo er seine Mutter, die aus ihrem Ko­ma nie wieder erwachen wird, gemein­sam mit dem blinden Vater von ihrem Leiden erlöst.

Das Ende einer Beziehung

Es sind nur wenige, ruhige Szenen, in denen sich die unge­heure Verzweiflung ausdrückt. Theres wird Kenneth erst 30 Jahre später wiedersehen. Bis es zu dieser kurzen Zufallsbegegnung kommt, rückt Schanelec ein anderes Paar ins Zentrum, springt ins heutige Berlin. Auch in dieser zweiten Geschichte geht es um das Ende einer Beziehung. Die Schauspielerin Ariane (Maren Eggert), die gerade in einer Polizisten­rolle gefordert ist, liebt ihren Mann (Phil Hayes) nicht mehr.

Sie will die Trennung, er sucht sich ei­ne neue Wohnung, und ob­wohl er keinerlei Regung er­kennen lässt, ist seine Ver­lorenheit mit Händen greif­bar. Vom Fenster aus sieht er einen Obdachlosen mit seinem Hund vor dem Berli­ner Hauptbahnhof. Es ist Kenneth, doch begegnen werden sich die Figuren aus den beiden Geschich­ten nie.

Nichts konstruiert

Etwas Traumhaftes liegt über diesem Film mit sei­nen oft verlangsamten Be­wegungen. Wenn wir The­res und Kenneth in der Gegenwart wiedersehen, sind sie nicht gealtert, tra­gen dieselbe Kleidung wie damals. Immer wieder ent­wirft Schanelec Bilder wie Erinnerungen, die für das Sehen und Fühlen sensibili­sieren. Die zärtlichsten Momente obliegen dabei den Kindern:

Einmal legt sich Theres im Wald auf den Boden, ihr kleiner Sohn greift sanft nach ihrer Hand. Später sieht man Ariane reglos in der Wohnung liegen, während ihre Toch­ter ihre Finger streichelt. Es ist die Kunst Schanelecs, dass sie nichts konstruiert, sondern beobach­tet – in Nahaufnahmen (auffällig oft auch der Füße und Beine) und in wei­ten Panoramablicken, die alles in die Ferne rücken – so wie uns das Leben manchmal vorkommt, das einfach pas­siert, ohne unser Zutun. (D/86 Min.)

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