"Endless Poetry": Poesie vom Schockmeister

9.8.2018, 08:00 Uhr

© Wolf

In den wilden 70ern galt Alejandro Jodorowsky als absoluter Kultregisseur. Besonders mit "El Topo" und "Montana Sacra" traf er den Nerv der Zeit. Man kann diese formal höchst beeindruckenden und eigenwilligen Werke wohl am ehesten als filmische Drogenräusche klassifizieren, vollgepackt mit grellen Schockbildern und surrealer Symbolik. Der Chilene war schließlich so populär, dass er 1975 ein wahres Mammutprojekt in Angriff nehmen sollte: die Verfilmung des Science-Fiction-Romans "Dune (Der Wüstenplanet)" von Frank Herbert, unter Beteiligung von Salvador Dalí und Pink Floyd. Das immer aufwendiger werdende Projekt platzte schließlich. Von diesem Rückschlag hat sich Jodorowsky in kommerzieller Hinsicht nie wieder ganz erholt. Beim breiten Publikum ist er heute nur noch wenig bekannt, obwohl er seit 2013 wieder Regie führt.

"Endless Poetry" ist nun der zweite Teil einer autobiografisch gefärbten Trilogie über Kindheit und Jugend des Regisseurs. Der junge Jodorowsky (zunächst von seinem Sohn Adan gespielt, später von Jeremias Herskovits) ist davon besessen, Poet zu werden. Sein stockreaktionärer Vater (dargestellt von Jodorowskys älterem Sohn Brontis) hält dies für eine ausgemachte Schnapsidee. Alejandro löst sich von seinem Elterhaus, schließt sich einem Zirkus an, lernt bekannte chilenische Poeten und den gleichgesinnten Enrique Lihn (Leandro Taub) kennen. Mit ihm führt er provokante Performances durch. Doch das politische Klima in Chile wird rauer . . .

Mit klassischem Erzählkino hat 89- Jährige nach wie vor nichts zu schaffen. Wie in seinen früheren Filmen dient die Geschichte auch hier als Aufhänger für traumartige Sequenzen. Die wirken zwar nicht mehr ganz so zwingend und beeindruckend wie einst, was auch den mittlerweile deutlich niedrigeren Budgets geschuldet sein mag. Dennoch haben die surrealen Phantasmagorien nach wie vor ihren Reiz und sind in der Filmlandschaft ziemlich einzigartig.

Jodorowsky wurde oft auf die Rolle des Schockmeisters reduziert, obwohl auch seine früheren Streifen poetische und zärtliche Sequenzen aufwiesen. In "Endless Poetry" treten sie noch offener zutage, doch ganz verzichtet der Chilene nach wie vor nicht auf die wuchtige Kraft der Provokation. (F/Chile/GB/128 Min.)

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