"Freiheit": Aufbruch ins Unbekannte

8.2.2018, 08:00 Uhr

© FilmKinoText

Nora heißt die Frau, die vor ihrem bisherigen Leben flüchtet, ohne genau zu wissen, was sie sucht. Speckenbach hat den Namen nicht zufällig gewählt, sein Film ist inspiriert von Henrik Ibsens "Nora oder Ein Puppenheim", zugleich klingen mehrfach mythologische Motive an.

Doch "Freiheit" spielt in der ganz alltäglichen Gegenwart, durch die sich Nora (Johanna Wokalek) nach ihrer Flucht treiben lässt. Man sieht sie in einer Gemäldegalerie, in einem Bus, in dem sie an der Endstation einfach sitzenbleibt, im Supermarkt, wo sie sich auf die Anmache eines jungen Mannes einlässt und mit ihm ins Bett geht. Als er in ihrer Tasche schnüffelt und herausfindet, dass sie ihm einen falschen Namen gesagt hat, rennt sie wütend weg. Per Anhalter reist sie nach Bratislava weiter, wo sie die Sex-Performerin Etela und ihren Mann Tamás kennenlernt, der ihr zu einem Job als Zimmermädchen verhilft und wo sie für kurze Zeit fast so etwas wie Geborgenheit erlebt.

Parallel dazu blendet der Film immer wieder zu Noras Mann Philip (Hans-Jochen Wagner), ein Rechtsanwalt, der mit einem besonders frustrierenden Fall, einer rassistischen Straftat, hadert. Den die Affäre mit einer Arbeitskollegin jetzt in Gewissensnöte bringt und der kaum noch Zugang zu seinen Kindern findet. Der siebenjährige Jonas verstummt immer mehr, mit der pubertierenden Tochter streitet er fast nur noch.

Der Film folgt Philip, dem alles zu entgleiten scheint und der sich immer mehr in die Enge getrieben fühlt, mit der gleichen Offenheit, mit der er Nora auf ihrem Weg ins Unbekannte begleitet. Speckenbach und seinem Kameramann Tilo Hauke gelingt es dabei, die widerstreitenden Gefühle Noras, denen die großartige Johanna Wokalek intensivsten Ausdruck verleiht, auch filmisch zu spiegeln.

Die sogartigen Bilder, das Spiel mit Licht, Farben und Überblendungen lassen unmittelbar ein Gespür für ihre existenzielle Verunsicherung entstehen. Doch gegen die Freiheit, die sie sucht, steht ihre eigene große Leere. "Ich bin der Welt abhanden gekommen", sagt Nora einmal. Tatsächlich ist ihr die Liebe abhanden gekommen. Schmerzhaft bewusst macht ihr das ein winziges Ereignis beim Abendessen mit Etela und Tamás, das in einer Rückblende am Ende des Films zu jenem Abend zurückführt, an dem sie gegangen ist.

Auch wenn Speckenbach vielleicht etwas zu viele Nebenschauplätze in seinen Film packt, gelingt ihm mit "Freiheit" ein so berührender und poetischer wie trauriger und bitterernster Film. (D/SK/100 Min.)

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