"Fridas Sommer": Das Leben nach Mamas Tod

19.7.2018, 08:00 Uhr

© Grandfilm

Frida (Laia Artigas) ist sechs Jahre alt, als sich ihr Leben im Sommer 1993 radikal verändert. Erst ist ihr Vater an Aids gestorben, nun ist auch die Mutter tot. Künftig wird sie bei ihrem Onkel Esteve (David Verdaguer), dessen Frau Marga (Bruna Cusí) und der kleinen Anna (Paula Robles) wohnen, nicht mehr in der Metropole Barcelona, wo sie aufgewachsen ist, sondern auf einem abgelegenen Hof irgendwo in der katalanischen Provinz.

Regisseurin Simón und Kameramann Santiago Racaj haben wirkungsvolle Bilder gefunden, die zeigen, wie verstörend und viel zu schnell der Abschied aus der gewohnten Umgebung für Frida verläuft. In der leergeräumten Stadt-Wohnung sitzt sie allein in einem riesigen Sessel, unmittelbar darauf sieht sie durchs Rückfenster des abfahrenden Autos ihre Freunde winken. Die Kamera nimmt ihre Perspektive ein, ist oft nah dran an dem Kindergesicht mit den traurigen Kulleraugen — als Zuschauer bleibt man da nicht lange auf Distanz.

Hier beginnt nun nicht die klassische Geschichte einer unglücklichen Kindheit samt böser Stiefmutter. Vielmehr erzählt der Film mit größter Sensibilität von der Zeit, die es braucht, bis sich Frida in ihr neues Leben einfindet. Onkel und Tante bemühen sich liebevoll um das neue Familienmitglied. Und auch mit der kleinen Cousine macht das Spielen oft Spaß. Die Mädchen entdecken ihre Welt mit einer Freiheit, bei der heutige Helikopter-Eltern die Hände über dem Kopf zusammenschlagen würden. Einmal spielen sie Mutter und Tochter — eine anrührende Szene, die ahnen lässt, was Frida bewegt.

Wie groß Schmerz, Verunsicherung und Einsamkeit der Sechsjährigen sind, wie ungeliebt sie sich trotz allem manchmal fühlt, offenbart sich nicht in Tränenausbrüchen, sondern in subtilen Bildern — immer ungemein empathisch, nie mit falscher Sentimentalität oder gar pathetisch. Fridas Gefühle entladen sich aber auch in spontanen Capricen, mit denen sie ihren neuen Eltern das Leben richtig schwer macht. Nicht nur einmal bringt sie damit die kleine Anna in Gefahr.

Anfang der 90er Jahre starben in Spanien mehr Menschen an Aids als in anderen Ländern Europas — in diesem Kontext spürt Carla Simón ihrer eigenen Vergangenheit nach und erzählt mit viel Geduld, Ruhe und Einfühlungsvermögen von "Fridas Sommer". Wirklich verblüffend ist dabei die Natürlichkeit und Selbstverständlichkeit, mit der Laia Artigas und Paula Robles neben den tollen erwachsenen Darstellern die Kinderrollen spielen. (E/96 Min.)

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