"It must schwing!": Ohne Groove ist es kein Jazz

6.9.2018, 08:00 Uhr

© Francis Wolff/NDR

Die zahlreichen Musiker, die Filmemacher Eric Friedler für seine Doku befragte, sind voll des Lobes. "Die Platenfirma hat die Musikwelt komplett verändert", sagt zum Beispiel Saxophonist Lou Donaldson, der 1952 zu Blue Note stieß. Schon erstaunlich für ein Label, das in unruhigen Zeiten unter widrigen Umständen und ganz ohne finanzielle Grundlagen gegründet wurde. Eine Geschichte, die es unbedingt zu erzählen lohnt - und die hier auch nicht zum ersten Mal beleuchtet wird.

Es waren die beiden jungen jüdischen Berliner Jazz-Fans Alfred Lion (1908–1987) und Francis Wolff (1908-1971), die einer nach dem anderen aus dem nationalsozialistischen Deutschland nach New York flohen, um dort ihrer Lieblingsmusik ab 1939 ein einmaliges Forum zu schaffen. In einer Zeit, in der Swing und Dixie in Amerika populär waren, galt moderner Jazz nicht viel. Gespielt wurde er vor allem von großartigen schwarzen Musikern, die in Harlem lebten und jammten. Für Talentsucher Alfred Lion waren die dortigen Clubs eine wahre Fundgrube.

Den Musikern zollte sein Label höchsten Respekt - als die Bürgerrechtsbewegung der 50er und 60er Jahre noch fern war und offener Rassismus allgegenwärtig, zeigte man schwarze Künstler auf den revolutionären Covers. Die Fotografien lieferte Francis Wolff, die Gestaltungsideen bald der junge Grafiker Reid Miles. Für den unverkennbaren, brillanten Blue-Note-Sound, der sich durch seinen Live-Charakter auszeichnete, sorgten der geniale Toningenieur Rudy Van Gelder und Alfred Lion mit seinem Gespür für Groove.

Von Lion, der für seinen deutschen Akzent bekannt war, stammt auch das Credo "It must schwing!" - denn nur dann war es Jazz. Bei den Aufnahmen im Studio waren die beiden Label-Gründer immer zugegen. Die Atmosphäre war familiär und Blue Note dadurch für die Künstler nicht nur musikalisch eine Heimat.

All das - die Entstehung der Musik, die Leidenschaft der Akteure, das Zeitgeschehen, die Stimmung im Studio, in den Clubs und auf den Straßen - versucht Eric Friedler in seine zweistündige, von Wim Wenders produzierte Dokumentation zu packen. Ein ambitioniertes Unterfangen. Der Film ist mit zahlreichen Musiker-Statements, O-Tönen von Lion und Wolff, Archivmaterial und dem einschlägigen Soundtrack sehr prall gefüllt. Dazu kommen Animationssequenzen, die zwar nicht eben meisterlich gestaltet sind, aber szenische Abwechslung bringen und Atmosphäre mitunter besser transportieren als viele Worte. Das Anliegen der beiden Label-Chefs wird jedenfalls deutlich: Statt viel Geld zu machen, wollten sie "wichtige Musik" für die Welt erhalten. Es ist ihnen gelungen. (D/118 Min.)

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