"Mackie Messer...": Vielschichtiges Kino-Projekt

13.9.2018, 08:00 Uhr

© Wild Bunch Germany

Zuschauer seien vorab gewarnt: Dies ist keine leicht verdauliche Verfilmung der "Dreigroschenoper", sondern ziemlich harter Stoff. Insofern hält sich Regisseur Joachim A. Lang an Brechts Devise "Glotzt nicht so romantisch!" und liefert reichlich Stoff zum Nachdenken. Das Ganze ist ein wilder, opulent verpackter Mix mit Ausschnitten aus dem Stück, Brecht-Zitaten, Film im Film, Kunsttheorie, Musik und Tanzeinlagen.

Joachim A. Lang ist leitender Fernsehredakteur beim SWR, ausgewiesener Brecht-Spezialist und langjähriger Chef des Augsburger Brecht–Festivals. In seinem ersten Kinofilm konzentriert er sich auf den historischen "Dreigroschenprozess", in dem Brecht um seine Rechte als Autor bei der Verfilmung seines Welterfolges kämpfte – und verlor.

Überraschender Triumph

Am 31. August 1928 geriet die Uraufführung der "Dreigroschenoper" im Berliner Theater am Schiffbauerdamm zu einem überraschenden Triumph, der nach den chaotischen Proben nicht unbedingt zu erwarten war. Vor allem die Musik von Kurt Weill machte die subversive Oper rasch populär. Brecht selbst wollte seinen Bühnenerfolg für das Kino adaptieren, zerstritt sich aber schon bald mit dem Produzenten, der eher kommerzielle Unterhaltung als politische Aufklärung im Sinn hatte.

Brechts Klage endete mit einem Vergleich, der Film wurde ohne seine Mitwirkung fertiggestellt und kam 1931 in die Kinos. Die Fragen des Urheberrechts sind bis heute ebenso aktuell wie die Überlegungen zur Kunstproduktion und Künstlerautonomie. Weil man sich im Kino und nicht in einem literarischen Proseminar befindet, wird der Stoff nach allen Regeln der Filmkunst und mit gehörigem Aufwand aufgemotzt. Raffiniert wechseln die verschiedenen Erzählebenen und Zeiten, der Regisseur spart nicht an ironischen Verfremdungseffekten, setzt auf einen tollen Soundtrack (HK Gruber) und fügt als neues, verbindendes Element Tanzchoreografien von Eric Gauthier hinzu.

Vor allem aber hat er ein erstklassiges Ensemble versammelt: Tobias Moretti brilliert in der Rolle des Gentleman-Gauners Mackie Messer, Joachim Król ist der mit allen Wassern gewaschene Bettlerei-Unternehmer Peachum, Hannah Herzsprung überzeugt in einer Doppelrolle (als Polly Peachum und Carola Neher), Robert Stadlober als Kurt Weill und Christian Redl als Polizeichef Tiger Brown.

Ausgerechnet die Hauptfigur des Films bleibt blass und blutleer: Lars Eidinger als Bertolt Brecht ist eine Kopfgeburt, die mit Originalzitaten spricht und keine Gefühle zeigt. Was die Frauen (Lotte Lenya, Helene Weigmann, Elisabeth Hauptmann) an diesem unterkühlten Besserwisser finden, weiß der Geier.

Der Regisseur packt auch noch die Feierlaune der Roaring Twenties und die Krisenstimmung der Weimarer Republik in sein (über)ambitioniertes Brecht-Projekt, das in Einzelteilen gut funktioniert, den Zuschauer aber insgesamt mit seiner komplexen Erzählstruktur und einer Fülle an Details zu überfordern droht. Die Hinweise auf die Aktualität der "Dreigroschenoper" (von der sozialen Spaltung und den politischen Rechtsruck in der Gesellschaft bis hin zum Sieg des Finanzkapitalismus) sind dabei überdeutlich. Nicht nur da wäre weniger mitunter mehr gewesen.

Für Brecht-Fans ist dieser "Mackie Messer" sicherlich ein intellektuelles Vergnügen. Aber nicht selten ertappt man sich in dem Film-Poptpourri bei dem Gedanken, dass es vielleicht sinnvoller gewesen wäre, wenn sich Joachim A. Lang einfach auf eine zeitgemäße Verfilmung der "Dreigroschenoper" im Sinne Brechts beschränkt hätte. So bleibt es bei gelungenen Kostproben mit sehr vielen Hintergrundinformationen. (D/F; 130 Min.)

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