"Mr. Long": Ein eiskalter Auftragskiller entdeckt seine Gefühle

14.9.2017, 09:00 Uhr

© Rapid Eye Movies

Der Auftragsmörder braucht nur wenige Minuten, um mit fünf Gangstern fertig zu werden. Er schlitzt ihre Kehlen auf, durchrammt ihre Brustkörbe, lässt das Blut spritzen. Es folgen noch weitere brachiale Gewaltexzesse à la Tarantino, aber dann ändert sich die Tonart unverhofft, und der beinharte Thriller weicht einem Sozialdrama. Der japanische Regisseur Sabu, mit bürgerlichem Namen Hiroyuki Tanaka, hat schon in früheren Werken gerne stilisierte Actionszenen mit kontemplativen Stimmungsbildern und Slapstickeinlagen verbunden, und das gelingt auch in seinem jüngsten Werk erstaunlich gut.

Über einen Zufall findet der Killer Mr. Long, den der bekannte Taiwanese Chen Chang als einen schweigsamen, introvertierten Einzelgänger verkörpert, seine tief vergrabenen Gefühle wieder. Ein missglückter Job in Tokio zwingt ihn zur Flucht, sie führt aus der Glamour-Welt der asiatischen Megacitys in eine Siedlung der Armen und Obdachlosen. Dort päppelt ein kleiner Junge den Fremden auf.

Hilfe braucht aber auch Lily, die drogenabhängige Mutter des Kindes. Long weiß, was zu tun ist, er nötigt die Frau zu einem kalten Entzug, bringt Ordnung in die Bude, kümmert sich wie ein Vater um den Buben und entdeckt seine Kochkünste. Seine köstliche Rindernudelsuppe ist schon bald begehrt, ein lukratives Geschäft lässt sich damit betreiben. Fast scheint es, als könnte sich zwischen Long, Lily und dem Jungen so etwas wie ein harmonisches Familienleben anbahnen, aber da ist die unbeschwerte Zeit auch schon wieder vorbei.

Sabu entwickelt diese Beziehungsgeschichte mit viel Zärtlichkeit für seine Figuren. Er kommt dabei mit sehr sparsamen Dialogen aus, die subtilen Blicke und Gesten seiner Protagonisten sagen schon alles. In tiefe Schmerzregionen dringt "Mr. Long" vor, wenn Lilys tragische Geschichte in einer langen Rückblende nachgereicht wird. Fast schon ein Film für sich ist dieses Porträt einer mutigen, gebrochenen Frau, deren Laufbahn einst als Nachtclubtänzerin begann.

Bei alledem kommt die Filmkunst nicht zu kurz: In perfekten Cinemascope-Bildern spiegeln sich die scharfen Kontraste zwischen den asiatischen Metropolen mit ihren imposanten Einkaufspassagen, Tempeln, schillernden Leuchtreklamen — und dem trostlos grauen Armenviertel.

Fazit: Ein ebenso spannungsreiches wie berührendes Gangsterdrama um die Mutation eines Auftragskillers zum Suppenkoch. (J/RC/D/128 Min.)

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