"Nach einer wahren Geschichte": Gefährliches Spiel

17.5.2018, 08:00 Uhr

© Studiocanal

Mit ihrem jüngsten, sehr persönlichen Buch, in dem sie den Selbstmord ihrer Mutter verarbeitete, hat die Erfolgsautorin Delphine (Emmanuelle Seigner) erneut einen Bestseller gelandet. Bei einer Signierstunde stehen die Fans Schlange. Doch Delphine ist sichtlich erschöpft. Als sie die Veranstaltung abbricht, steht plötzlich eine junge, attraktive Frau vor ihr, die sich als ihre größte Verehrerin offenbart und sich Elle nennt, was im Französischen auch für das weibliche Personalpronomen "sie" steht: Sie, die Andere...

Von Anfang an ist klar: Dieser Elle, die Eva Green mit geradezu unheimlich offensiver Präsenz verkörpert, ist nicht zu trauen. Doch für Delphine, die sich nach der schmerzlichen Abrechnung mit ihrer Familie ausgelaugt und leer fühlt und in anonymen Briefen beschuldigt wird, ihre Mutter "verkauft" zu haben, wird die taffe Fremde bald zur engsten Vertrauten. Elle, laut eigener Behauptung eine Ghostwriterin, kümmert sich fürsorglich um Delphine. Sie lädt die Autorin zu ihrer Geburtstagsparty ein, auf der trotz des opulenten Buffets kein weiterer Gast auftaucht.

Je näher sich die beiden Frauen kommen, desto tragischer werden die Geschichten, die Elle von sich selbst erzählt. Zugleich dringt sie immer mehr in das Leben ihrer neuen Freundin ein, lässt sich von der arglosen Delphine sogar das Passwort für ihren Computer geben, übernimmt deren Korrespondenz und quartiert sich unter einem Vorwand in ihrer Wohnung ein. Auch gleicht sie ihr Aussehen zunehmend dem der Autorin an, die fast erleichtert ist, dass die "Doppelgängerin" statt ihrer zu einer Lesung vor Gymnasiasten fährt.

Durchschaubares Spiel

Emmanuelle Seigner, Ehefrau Polanskis und zuletzt in seinem Film "Venus im Pelz" selbst als verführerische Fremde zu sehen, spielt Delphine mit somnambulem Blick sehr überzeugend – eine Schriftstellerin, die in ihrer selbst gewählten Isolation verzweifelt mit ihrer Schreibblockade ringt. Während Elle penetrant darauf beharrt, auch ihr nächstes Buch müsse eine "wahre Geschichte" erzählen, entdeckt Delphine nach und nach, dass Elles verkorkstes Leben ihr genau den Stoff dafür liefert.

Allerdings erscheint das berechnende Spiel der gefährlich-übergriffigen Jüngeren so durchschaubar, dass dem Film einiges an Spannung genommen wird. Roman Polanski, eigentlich ein Meister in der Inszenierung langsam an ihrem Wahn zerbrechender Figuren, zeichnet seine Charaktere diesmal wenig subtil und lässt ihre Beziehung allzu bald ins Abgründige kippen. Dass Elle sich mit ihren tragischen Erinnerungen selbst zur Romanfigur stilisiert, ist für den Zuschauer ebenso offensichtlich wie ihr teuflischer Plan, die Identität der Erfolgsautorin zu kapern.

Am Ende aber gelingt Polanski eine Pointe, die einen trotz mancher Fährten kalt erwischt und Elles Figur noch einmal in einem ganz anderen Licht erscheinen lässt. Sicherlich kein neues Meisterwerk, aber ein spannender, verstörender Film des Regie-Veteranen, den die Schatten der Vergangenheit jetzt noch einmal eingeholt haben. Im Zuge der #MeToo-Debatte wurde auch Polanski wegen der Vergewaltigung einer Minderjährigen vor über 40 Jahren kürzlich aus der Oscar-Academy ausgeschlossen. (F/Polen/B/100 Min.)

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