"Nocturama": Junge Attentäter aus Verzweiflung

18.5.2017, 08:00 Uhr

© Real Fiction

Dabei wollte der handwerklich brillante, aber gedanklich etwas unsauber hantierende Bonello nur eine mächtige Lanze brechen für die marginalisierte, in der Arbeitslosigkeit eingesperrte urbane Jugend, und zwar quer durch alle sozialen Schichten und ethnischen Hintergründe. Seine in monatelangen Castings zusammengesuchte Truppe europäischer Twens spielt einen wie auch immer entstandenen Freundeskreis, der im ersten Teil des Films in der Metro durch Paris zischt, geklaute Handys beäugt und wegwirft, kurz: alles vorführt, was eine mobil konspirierende Attentäter-Bande im Action-Kino so treibt.

Dabei werden die Einzelnen vorgestellt, wobei die coole Sarah (Laure Valentinelli) besonders eindrucksvoll das Gefühl des makellos geplanten Anschlags vermittelt. Es werden Pakete platziert, alles schnurrt ab wie die eingespielten Techno-Fetzen, bis es dann zum ersten Mal knallt: ein Bankdirektor und ein Minister werden erschossen, die Schützen und Zusammenhänge bleiben unklar.

Filmemacher Bonello macht sich kaum die Mühe, das unglaubliche Sprengstoff-Spektakel, das er dann in Banken und Ministerien zündet, mit konkreten Motiven zu unterfüttern: "Das musste so kommen", sagt eine Radfahrerin später, und zusammen mit den Ausführungen Bonellos im Presseheft verfestigt sich der Verdacht, auf der Reflexionsebene eines kleinen Trotzkopfs gelandet zu sein.

Keinerlei Schuldgefühle

Die jungen Attentäter lassen sich nach dem Bombenlegen in einem Kaufhaus einsperren, überzeugt davon, sie könnten sich am nächsten Morgen unbemerkt davonmachen. Im vorhersehbar sich anbahnenden Konsumrausch mit Champagner, Pop und Klamotten geraten die sonst von keinerlei Schuldgefühlen angekränkelten Rebellen ins Zweifeln, ob das alles gut gehen kann. Wobei man nicht erfährt, wie sie überhaupt auf die dämliche Idee gekommen sind.

Dafür nutzt der Regisseur seinen Drehort ausgiebig für Soloeinlagen seiner überzeugend agierenden Darsteller. Einige Attentatsabläufe werden in Rückblenden geklärt und verstärken nach gut zwei Stunden das Gefühl, dass jetzt nur noch das herumschleichende Sondereinsatzkommando helfen kann. Visuell teilweise mitreißend inszeniert, mit einem Script, das dem Thema nicht angemessen ist. (F/2016/130 Min.)

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