"I Am Not Your Negro": Eine wütende Anklage

30.3.2017, 08:00 Uhr

© Salzgeber

Als Baldwin 1987 starb, hinterließ er ein nie vollendetes Buchprojekt mit dem Titel "Remember This House". Geplant war eine literarische Auseinandersetzung mit den Biografien von drei bedeutenden amerikanischen Bürgerrechtlern: Martin Luther King, Malcolm X und Medgar Evers. So unterschiedlich die Ideen und Positionen der drei Ikonen im Kampf gegen Rassentrennung und für schwarze Gleichberechtigung waren, so verbindet sie doch eines: Alle waren Freunde und Weggefährten Baldwins. Und alle drei wurden noch vor ihrem 40. Lebensjahr ermordet.

Raoul Peck ist gerade mit "Der junge Karl Marx" in den deutschen Kinos. In "I Am Not Your Negro" hat der 63-jährige Regisseur aus Haiti nichts anderes gemacht, als Baldwins 30-seitiges Manuskript sowie Interview-Auszüge des Schriftstellers mit wahlweise passenden oder bewusst kontrastierenden Archivbildern quer durch die Jahrzehnte zu bebildern.

So simpel, so wirkungsvoll. Samuel L. Jackson (auf Deutsch: Samy Deluxe) liest James Baldwins kühle, messerscharfe und sehr persönliche Analyse, die schmerzvoll den amerikanischen Traum auseinander nimmt und nicht nur klar, sondern auch wütend Stellung bezieht. In seinem unvollendeten Text erinnert sich Baldwin, wie er als Kind im Kino Gary Cooper anfeuerte, der als strahlender Cowboy auf der Leinwand reihenweise Indianer platt machte – um dann feststellen zu müssen, dass er als Schwarzer eigentlich der Indianer ist.

Damals waren schwarze Menschen im Hollywood-Kino und in der Showwelt weitgehend unsichtbar, und wenn sie vorkamen, dann meistens in Rollen, in denen sich der junge Baldwin mit seinem Leben und seiner Wirklichkeit nur selten wiederfand. Überhaupt, so der Autor, habe das weiße Amerika keine Ahnung vom schwarzen Amerika, weil es sich nie dafür interessiert hat.

In "I Am Not Your Negro" gibt es Gary Cooper und Doris Day auf der einen und Ray Charles auf der anderen Seite. Es geht um Ignoranz und Angst, um Verklemmtheit, um die Maske der Unschuld und darum, dass ursprünglich die wenigsten Menschen Lust hatten, in dieses Land zu kommen: Die Weißen aus Irland und Polen nicht und die schwarzen Sklaven schon gleich zweimal nicht. Seine stärksten Momente hat der Film, wenn die Text-Bildschere aufklappt und zu einem bonbonbunten Werbespot über Amerika Bilder montiert werden, auf denen weiße Polizisten schwarze Amerikaner verprügeln und verhaften. Oder wenn man Reden aus den 1960er Jahren hört und dazu Szenen aus dem US-Alltag der letzten Jahre sieht, die deckungsgleich sind – und an denen auch der erste schwarze Präsident nicht zu rütteln oder gar etwas zu ändern vermochte.

Das Fazit ist so bitter und pessimistisch wie erwartet: Die Geschichte der Schwarzen in Amerika ist die Geschichte Amerikas. Und es ist keine schöne Geschichte. Stark.

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