Buddy-Movie

"Sweethearts": Zwei ungleiche Heldinnen auf der Flucht

14.2.2019, 09:00 Uhr

© Warner

Herfurth, die seit Tom Tykwers "Das Parfum" zu den gefragtesten deutschen Schauspielerinnen gehört, schlüpft wieder selbst in eine der beiden Hauptrollen und hat sich mit Hannah Herzsprung eine ganz starke Partnerin an die Seite geholt. Herzsprung spielt die alleinerziehende Ganovenbraut Mel, die mit einem letzten Coup dem kriminellen Milieu zu entkommen hofft. Sich selbst hat Herfurth (nach einem Drehbuch von Monika Fäßler) den Part der neurotischen Quasselstrippe Franny zugeschrieben, die unter Panikattacken leidet und deswegen von ihrer resoluten Chefin (toll in einem Kurzauftritt: Cordula Stratmann) eine Auszeit verordnet bekommt.

Noch benommen von dieser Nachricht läuft die ohnehin dauerverpeilte junge Frau draußen geradewegs in die Schusslinie eines Polizisten, der auf die nach dem Überfall auf ein Juweliergeschäft flüchtende Mel zielt. Die nimmt Franny kurzerhand als Geisel, und damit beginnt ein Buddy-Movie, dessen Heldinnen unterschiedlicher nicht sein könnten.

Obwohl Mel die hysterische Nervensäge am liebsten schnellstmöglich wieder los sein würde, entwickelt sich zwischen beiden Frauen bald ein Gefühl des Zusammenhalts und sogar eine Freundschaft. Einmal beoachtet Franny aus dem Fluchtauto heraus, wie Mel ihre geliebte kleine Tochter, die sie bei einer Freundin zurückgelassen hat, umarmt. Spätestens da dämmert ihr, dass ihre Entführerin nicht so tough ist wie sie tut. Doch selbst in solchen Szenen vermeidet der Film jede Sentimentalität.

Vielmehr hält Regisseurin Herfurth gekonnt die Balance zwischen hochtouriger Action, gewitzten Dialogen und leisen Momenten. Vor allem Hannah Herzsprung ist eine Wucht, man nimmt ihrer Mel ("Mel wie Mel Gibson?", fragt Franny einmal) den gut versteckten weichen Kern genauso ab wie die beinharte Kämpferin. Herfurth spielt Franny hinreißend als mit der Situation völlig überforderte Hysterikerin, die Mels Versuche, wieder an die verloren gegangene Beute zu kommen, gleich zweimal mit ihrer Naivität torpediert. Doch weiß sie ihr Potenzial als Nervensäge bald gewinnbringend gegen die Verfolger einzusetzen. Großartig ist auch Anneke Kim Sarnau, die die Soko-Leiterin Ingrid von Kaiten als hartleibige Kommissarin spielt und zugleich einen herrlich trockenen Humor beweist.

Sämtliche Frauenrollen (darunter auch Katrin Sass) sind hier erstklassig besetzt. Mit Frederick Lau und Ronald Zehrfeld hat Herfurth zwar ebenfalls prominente männliche Darsteller ins Team geholt, doch besonders Frederick Lau fällt hier der undankbarste Part zu – als Polizist, der sich erst mit seinem Baby-hütenden Kollegen plagen muss, dann Mel als weitere Geisel in die Hände fällt und sich auf Anhieb in Franny verknallt. Die Szenen zwischen den beiden Turteltauben geraten ziemlich albern, andererseits transportieren sie auch eine ansteckende Lebenslust wider alle Hindernisse.

Insgesamt ist Karoline Herfurth mit "Sweethearts" ein toller zweiter Streich gelungen, der von der spannenden Beziehung zwischen seinen beiden Protagonistinnen getragen wird. Die schmuddeligen Ecken Berlins sind authentisch in Szene gesetzt und der wunderbare Soundtrack von Annette Focks verbreitet manchmal sogar ein bisschen Western-Feeling. Auf die nächste Regie-Arbeit der Schauspielerin darf man jetzt schon gespannt sein. (D/107 Min.; am Freitag kommt Herfurth zur 20-Uhr-Vorstellung ins Nürnberger Cinecittà)

Verwandte Themen


Keine Kommentare