"Tigermilch": Erwachsen werden im Großstadtdschungel

17.8.2017, 08:53 Uhr

© Constantin

Tigermilch ist das Lieblingsgetränk der versetzungsgefährdeten Nini und ihrer klugen irakischen Freundin Jameelah. Die beiden 14-Jährigen, die in einer Sozialbausiedlung in Berliner Randlage leben, mixen das Gebräu aus Schulmilch, Fruchtsaft — und Mariacron-Weinbrand. Nicht zufällig stehen die Zutaten auch für das Lebensgefühl der beiden Teenager, die sich mitten im Unterschicht-Milieu gerade an der Schwelle zum Erwachsenwerden befinden.

Nach der Romanvorlage und laut Drehbuch sind die ungleichen Freundinnen wilde Mädchen, die sich für die bevorstehenden Sommerferien nichts weniger vorgenommen haben, als ihre Unschuld zu verlieren. Doch diese freche Coolness will man den beiden jungen Schauspielerinnen Flora Thiemann (Nini) und Emily Kusche (Jameelah) nicht wirklich abnehmen, wenn sie auf hohen Hacken und mit geklauten Ringelstrümpfen auf dem Straßenstrich ihre Freier wahlweise aufreißen oder verprellen. Dazu wirkt die Szenerie viel zu aufgeräumt und die Lolita-Attitüde der hübschen Mädels zu aufgesetzt.

Turbulenzen der Gefühle

Der Film will — etwa nach "Axolotl Overkill" — sichtlich mehr sein als eine weitere Coming-of-Age-Geschichte aus Berlin. Zwar geht es hier wenig überraschend auch um die erste Liebe, große Enttäuschungen und die entsprechenden Turbulenzen im Gefühlshaushalt. Doch die Handlung wird erweitert: Jameelah und ihre alleinerziehende Mutter kämpfen um die Einbürgerung in der Bundesrepublik, und auf einem Nebenschauplatz in der unmittelbaren Nachbarschaft spielt sich zwischen bosnischen und serbischen Migranten ein Drama ab, das blutig endet.

Nach einer drogenreichen Party, die ausgerechnet in einer feudalen Grunewalder Villa steigt und im von der Filmcrew hübsch arrangierten Chaos endet, werden die beiden Mädchen Zeuginnen dieses Verbrechens. Und das Leben hört auf, ein unbeschwertes Spiel zu sein. Stillhalten oder Anzeige erstatten? — an dieser Frage droht ihre Freundschaft zu zerbrechen. Wenn Jameelah aus Angst vor der Ausweisung auf keinen Fall mit der Polizei zu tun haben will, beschert das der Geschichte endlich auch so etwas wie existenzielle Substanz.

Ansonsten kommt "Tigermilch" mit all seinen sozialen Großstadt-Dramen ziemlich überladen und konstruiert daher. Klar, dass die unterschiedlichen Krisen, Parallelwelten und Probleme in gut 100 Minuten nur gestreift, nicht vertieft werden können. Vieles gerinnt da notgedrungen zum Klischee — auch der Ehrenmord an einer jungen Frau, die noch dazu fast ausschließlich in offenherziger Garderobe auftritt.

Schade eigentlich, denn alles, was da mal eben angetippt wird, ist im komplexeren Sinn ein Stück deutscher Realität. Das gilt auch für das  — allerdings mit viel Pathos angereicherte — Ende der Geschichte. (D/106 Min.)

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