"Verleugnung": Erbitterter Streit um die Wahrheit

13.4.2017, 08:00 Uhr

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Die menschenverachtende Dreistigkeit, mit der Irving seine Thesen (übrigens weiterhin) verbreitet, verdeutlicht zu Beginn eine Originalaufnahme aus den Prozesstagen: "Auf der Rückbank von Edward Kennedys Wagen in Chappaquddick sind mehr Menschen gestorben als in Auschwitz", erklärt der Brite, der viele Jahre als anerkannter NS-Forscher galt, lauttönend vor der Fernsehkamera.

Doch in dem Prozess sitzt nicht Irving auf der Anklagebank, sondern die US-Historikerin Deborah Lipstadt. In ihrem Buch "Denying the Holocaust" hatte sie Irving als Holocaust-Leuger bezeichnet. Der verklagte sie daraufhin wegen Verleumdung, womit – so will es das britische Rechtssystem –, die Beweislast bei ihr lag.

Lipstadt musste also nachweisen, dass der Völkermord an den Juden tatsächlich stattgefunden hat. Das erscheint absurd und macht zugleich den Reiz des Films von Mick Jackson (Regie) und David Hare (Drehbuch) aus. Auf unaufgeregte, aber durchaus packende Weise rekonstruieren sie die mühselige Beweisführung, die Deborah Lipstadt (Rachel Weisz) und ihre Anwälte Anthony Julius (Andrew Scott) und Richard Rampton (Tom Wilkinson) einmal auch nach Auschwitz bringt. Begleitet von einem Architekten, wollen sie sich einen Eindruck von den Ausmaßen der Todesfabrik und der Lage der (noch von den Nazis zerstörten) Gaskammern machen. Es sind die eindringlichsten Szenen des Films – Bilder, die auf gespenstisch stille Weise vom Grauen des Holocaust zeugen.

Das Geschehen im Gerichtssaal ist hingegen betont sachlich inszeniert. Es geht um Baupläne, die die Existenz der Gaskammern beweisen, um Luftschächte, durch die Zyklon B eingeführt wurde, um die Frage, wofür das Gift gebraucht wurde – zur Entlausung, wie Irving behauptet, oder um Menschen zu töten?

Jackson und Hare haben die Gerichtsprotokolle akribisch recherchiert, trotzdem hält die Spannung bis zum Schluss. Auch die Besetzung ist fast durchweg exzellent. Nur Rachel Weisz, die als Deborah von ihren Anwälten aus taktischen Gründen zum Schweigen verdonnert wird und auch keine Holocaust-Überlebenden in den Zeugenstand holen darf, verkörpert die Streiterin für die Wahrheit mit allzu makelloser Tapferkeit.

Großartig ist Timothy Spall als Irving – ein boshafter Sturkopf mit diabolischen Zügen, der zugleich seltsam verloren wirkt. Tom Wilkinson macht aus seiner Figur des Anwalts einen vielschichtigen, spannenden Charakter, hinter dessen gelassen-professioneller Fassade sich ein Mensch von höchster Moral und großen Skrupeln offenbart. Was er in Auschwitz empfunden habe, fragt ihn Deborah wenige Tage nach dem Besuch der heutigen Gedenkstätte, bei dem Rampton keinerlei Gefühle erkennen ließ. Scham, antwortet er, und Feigheit. "Ich glaube nicht, dass ich mich den Tötungsbefehlen verweigert hätte." (GB/USA/110 Min.)

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