"Wilde Maus": Der Sturz des kleinen Königs

9.3.2017, 08:00 Uhr

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Das Leben ist eine Achterbahnfahrt, bei der es einen schon mal heftig aus der Kurve schleudern kann. Im Film trifft es die Edelfeder Georg (Josef Hader), geliebt und gehasst für seine vernichtenden Kritiken. Als ihm sein Redaktionsleiter (Jörg Hartmann) erklärt, er sei zu teuer – der jüngere und billigere Nachwuchs steht längst vor der Tür –, findet sich der selbstverliebte Georg unverhofft auf der Verliererseite wieder.

Das hätte auch eine bissige Mediensatire werden können. Bei der Premiere auf der Berlinale erklärte Hader jedoch, er sehe seine Figur vor allem als Beispiel dafür, wie schnell auch der Mittelschicht in neoliberalen Zeiten der Boden unter den Füßen weggezogen werden kann. Allerdings ist die Fallhöhe bei Georg besonders groß: Der kleine mächtige König des Wiener Klassikbetriebs verliert mit seiner Arbeit viel mehr als nur den Job.

Weil er das selbst nicht wahrhaben will, erzählt Georg seiner deutlich jüngeren Frau, einer Psychotherapeutin, die sich sehnlichst ein Kind wünscht (fabelhaft wie das gesamte Ensemble: Pia Hierzegger), nichts von der Kündigung. Den Lesern, die seine Kritiken vermissen, schwindelt er vor, er schreibe jetzt ein Buch. Tatsächlich treibt er sich herum, schlitzt – Auftakt seines Rachefeldzugs – das schicke Cabrio des Feuilletonchefs auf, wirft Farbbeutel auf dessen Villa, tuckert mit der Kinder-Eisenbahn allein durch einen Park und landet schließlich auf dem Rummelplatz, wo er mit dem arbeitslosen Erich (Georg Friedrich) eine ramponierte Achterbahn, die "Wilde Maus", auf Vordermann bringt.

Das sind natürlich wunderbare Metaphern für das Abstellgleis, auf dem sich der Musikkritiker befindet. Und Hader schont sich nicht. Sein Georg wird zum pubertären Amokläufer, besorgt sich eine Pistole, einmal rennt er durch den tiefen Schnee, wo er sich fast nackt eine Kuhle buddelt, um mit Schlaftabletten und Whiskey dem Elend ein Ende zu machen.

Mit viel Liebe zum Detail widmet sich Hader der Demontage seines Helden und erzählt großartig komisch vom Tragischen, von der Einsamkeit des Älterwerdens und dem Gefühl, zu nichts mehr nutze zu sein. Dabei spielt er diesen Egomanen, der tief fällt, so, wie man ihn kennt – als bärbeißigen, liebenswerten Misanthropen – und liefert ein tolles Regie-Debüt ab. (A/103 Min.; am Samstag um 17.30 Uhr, kommt Hader ins Erlanger Manhattan)

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