"Zama": Zermürbende Kraft der Hoffnung

12.7.2018, 08:00 Uhr

© Grandfilm

In der Literatur Lateinamerikas hat das Fantastische seinen festen Platz. Die Argentinier Jorge Luis Borges, Ernesto Sábato und Julio Cortázar oder der Kolumbianer Gabriel García Márquez gehörten zu den Autoren, deren "magischer Realismus" auch europäische Leser faszinierte. Vor diesem Hintergrund lässt sich vielleicht auch Lucrecia Martels "Zama" lesen. Denn wie die Romane der Südamerikaner ist der Film, der die Vergangenheit des Kontinents auf eigenwillige Weise thematisiert, von surrealen Momenten durchwirkt.

Don Diego de Zama, Verwaltungs- und Justizbeamter der spanischen Krone, harrt seit Jahren fern von Frau und Kindern in der kolonialisierten argentinischen Provinz aus. Viel zu tun gibt es in der gottverlassenen Gegend nicht, Einsamkeit und Müßiggang machen den Mann genauso mürbe wie das Warten auf eine Versetzung nach Buenos Aires. Die Hoffnung trägt den unglücklichen Zama (abgeklärt: Daniel Giménez Cacho), doch er scheitert immer wieder an selbstgerechten Gouverneuren, die den entscheidenden Brief an den König nicht schreiben. Und das, obwohl der Justiziar für sein Anliegen seinen Stolz gegen Untertänigkeit tauscht.

Gleich in der ersten Szene wird die Tragik und Absurdität seines Daseins augenfällig. Man sieht ihn mit Dreispitz und Uniform an der Küste stehen, wo er im Wortsinn wie ein Außerirdischer wirkt, einer, der genau wie die anderen Kolonialherren und -damen mit ihren schlecht sitzenden Perücken nicht in die schwüle unwirtliche Natur passt. Und selbst wenn er über das Schicksal der Indios entscheiden kann, ist Zama keine Respektsperson, eher gibt er sich der Lächerlichkeit preis.

Ein Visionär, Entdecker oder gar Abenteurer ist dieser Mann also mitnichten. Insofern darf man auch keine spannungsreiche Eroberer-Geschichte erwarten. "Zama" ist ein kontemplativer Kunstfilm, der dem Zuschauer (nicht nur) mit seinen zahlreichen surrealen Szenen Rätsel aufgibt, der zum Interpretieren einlädt — und ganz nebenbei mit einem lässigen, latin-jazzigen Gitarren-Soundtrack irritiert.

Immer wieder lässt Kameramann Rui Poças dazu eindrucksvolle Bilder entstehen, die wie Gemälde wirken. Und Martel zeichnet so ihr eigenes Bild der Kolonialisierung. Auch das Leid der ausgebeuteten Indios ist dabei ein Thema. Doch viel mehr schildert sie die Sinnlosigkeit und Vergeblichkeit, die alles Tun des psychisch und physisch degenerierten Eroberer-Clans kennzeichnen.

Am Ende schließt sich Zama einer Soldatentruppe an, die einen legendären Räuber jagt. Seine existenzielle Tragik geht dadurch nur in die Verlängerung. Sie liegt paradoxerweise darin, dass er die Hoffnung auf ein besseres Leben nie aufgegeben, sondern sich an ihr abgearbeitet hat. (RA/BR/E/F/115 Min.)

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