Sperrzeit: Wirte und Gäste auf den Barrikaden

14.7.2011, 19:46 Uhr
Heiko Preischl von der Bar Mono glaubt nicht, dass die Kriminalitätsrate nach einer Sperrzeitverlängerung sinken würde.

© Lisa Susu Hahn Heiko Preischl von der Bar Mono glaubt nicht, dass die Kriminalitätsrate nach einer Sperrzeitverlängerung sinken würde.

Nachdem der Freistaat die Sperrzeitregelung freigegeben hat, müssen in Nürnberg die Gaststätten nur noch zwischen fünf und sechs Uhr eine Stunde geschlossen bleiben. Die Zunahme von nächtlichen Gewaltdelikten hat dazu geführt, dass Maly wieder die alte Regelung einführen möchte: Unter der Woche soll um zwei Uhr Schluss sein, am Wochenende um drei Uhr. Dabei sollen auf Antrag Ausnahmen großzügig gehandhabt werden. Siehe: NZ-Artikel vom 7. Juli
 

Brennpunkte sollen ausgeschaltet werden

 

"Es ist nicht vorgesehen, dass alle Kneipen um zwei, bzw. am Wochenende um drei Uhr schließen", bestätigte der Sachgebietsleiter Gewerberecht beim städtischen Ordnungsamt, Rainer Lenzner, auf Anfrage. Die Erteilung der Genehmigung werde eher der Regelfall als die Ausnahme sein.

 

"Die Sperrzeitverlängerung ist als Steuerungsinstrument gedacht und soll nur dann zum Tragen kommen, wenn der entsprechende Wirt die Sicherheitslage nicht im Griff hat oder Anwohner stark beeinträchtigt werden." Oder anders formuliert: Mit der Sperrzeitverlängerung sollen bekannte Brennpunkte ausgeschaltet werden. Wie lange der Betrieb geöffnet haben dürfe, läge damit also in der Hand der Gastronomen, so Lenzner.

 

Auf Facebook wird heiß diskutiert

 

David Lodhi vom Club Stereo hat eine Facebook-Veranstaltung zum Thema erstellt. Sie heißt "Gegen eine Verlängerung der Sperrzeit in Nürnberg", ihre Teilnehmerzahl ist in den vergangenen Tagen explodiert.

 

"Mal wieder eine weitere sinnfreie Maßnahme wie man den Mitmenschen das Leben schwer macht und damit auch noch Geld verdienen kann", heißt es dort im Kommentar eines Users.

 

Der Antrag auf Sondergenehmigung sei zwar gebührenpflichtig, "es geht der Stadt dabei aber als Letztes um die Einnahmen", entgegnete dazu Rainer Lenzner vom Ordnungsamt.

 In unsere Online-Umfrage beantwortete eine knappe Mehrheit (55 Prozent) die Frage "Sind Sie für eine Verlängerung der Sperrzeit?" mit Nein.

Das sagt das Partyvolk:

 

Das sagen betroffene Nürnberger Gastronomen:

David Lodhi vom Club Stereo hat eine Facebook-Veranstaltung zum Thema erstellt, deren Teilnehmerzahl derzeit explodiert.

David Lodhi vom Club Stereo hat eine Facebook-Veranstaltung zum Thema erstellt, deren Teilnehmerzahl derzeit explodiert. © oh

Heiko Preischl, Geschäftsführer der Bar Mono:

"Eine Sperrzeitverlängerung würde die ganze 'Feiermeile' in der Klaragasse hart treffen, da es ja am Wochenende erst gegen elf Uhr richtig losgeht. Um Kriminalität zu vermeiden, haben wir für ein Heidengeld extra Sicherheitskräfte eingestellt, und zwar aus Eigeninitiative, da kommt keine Unterstützung von der Stadt. Ich denke nicht, dass die Kriminalitätsrate sinken würde, weil es nach drei Uhr dann nichts mehr gibt, wo die Leute hinkönnen."
 

"Für die Sicherheit zu sorgen, ist ganz klar Aufgabe der Wirte", entgegnet Rainer Lenzner vom Nürnberger Ordnungsamt. Der Polizei lägen Daten vor, die den Zusammenhang zwischen dem Ansteigen der Gewaltdelikte und der Freigabe der Sperrzeitregelung ganz klar belegten.
 

Frank Walther, Inhaber der Bar Kloster:

"Eine Sperrzeitverlängerung wäre für das Kloster wirklich schlimm, weil wir hauptsächlich nachts geöffnet haben. Im Allgemeinen finde ich es beschämend für eine Stadt, vor allem für eine Metropolregion. Die Stadtoberen sollten zum Beispiel mal nach Nordrhein-Westfalen schauen, da sind die Leute bis fünf auf der Straße unterwegs. Sollte die Sperrzeit wieder verlängert werden, werden wir ausgelacht.

 

Axel Ballreich, Geschäftsführer des Club Hirsch:
"Es betrifft uns zwar nicht direkt, da wir nicht in der Innenstadt angesiedelt sind und keine Probleme mit Anwohnern haben. Aber ich halte trotzdem nichts davon. Ich sehe es als Rückschritt, wenn wir zu dem Status von vor 2005 zurückkehren."

Lutz Morich (links) von der Soundbar Mitte findet, dass ein attraktives Kulturangebot nicht nur aus den antiken Exponaten des deutschen Museums besteht.

Lutz Morich (links) von der Soundbar Mitte findet, dass ein attraktives Kulturangebot nicht nur aus den antiken Exponaten des deutschen Museums besteht. © Michael Meier

David Lodhi, Mitbetreiber des Club Stereo hat sich im NZ-Tonangeber-Blog zur Sache geäußert:
„Schade, dass wir noch nicht soweit sind, uns mit dem Begriff 'Kultur' in diesem Zusammenhang auseinander zu setzen. Andernorts tut man das längst (siehe zum Beispiel das Clubkombinat in Hamburg, www.clubkombinat.de). Kultur im Wandel der Gegenwart - schätzungsweise eines der interessantesten Themen dieser Tage. Für das manch einer in unserer schönen Stadt (noch) nichts übrig hat.“ Mehr...

 

Lodhi hat zur Thematik eine Facebook-Veranstaltung erstellt, deren Teilnehmerzahl innerhalb weniger Tage auf fast 5000 hochschnellte.

 

Patrick Merkel, Inhaber und Geschäftsführer des Club Stairs & Stairs:
"Das Stars & Stairs wäre davon nicht betroffen, da wir wegen unserer besonderen Lage im Rotlichtviertel eine Sondergenehmigung haben. Wir haben auch keine Probleme oder Zwischenfälle. Aber unabhängig davon bin ich absolut gegen eine Sperrzeitverlängerung. Nürnberg will eine Großstadt sein und alleine von der Außendarstellung her, was den Tourismus betrifft, würden wir uns zur Lachnummer machen. Die Stadt würde an Attraktivität verlieren.

 

Ich denke auch, dass die Gewalt eher zunehmen würde. Die Leute gehen ja dann um drei nicht nach Hause, sondern hängen auf der Straße rum und unsere Türsteher sind dann nicht mehr da, um für Ruhe zu sorgen.

 

Natürlich spülen die Sondergenehmigungen auch Geld in die städtischen Kassen.  Aber für uns Gastronomen würde es einen finanzieller Einbruch bedeuten. Jetzt haben wir schon die strenge Feiertagsregelung. Wir sind auch wirtschaftliche Unternehmen. Der Kampf ist eh härter geworden und irgendwann macht es einfach keinen Spaß mehr."

Lutz Morich, Inhaber der Soundbar Mitte:

"Die lokalen Bemühungen, sich mit der selbst ernannten 'Metropolregion' einen weltoffenen Anstrich zu verpassen, erscheinen am Rande der Putzstunden-Diskussion geradezu rührend. Im Falle einer weiteren Einschränkung des Freizeitangebotes sollte der Begriff 'Metropolregion' für unsere Lebkuchenstadt folgerichtig zensiert werden. In einer 'Metropole' leben auch Menschen (vorzugsweise viele Menschen) und diese Grundbedingung zieht auch kulturelle und soziale Verantwortung nach sich.

Eine Metropole drückt sich durch soziale und kulturelle Vielfalt und Dynamik aus...sie 'pulsiert'. Und auch Musik ist Kultur. Außerdem gibt es auch eine soziale Kultur, die auf menschlichem Zusammensein und Kommunikation basiert. Sogar unsere freistaatlichen Patronen der Landeshauptstadt München (Weltstadt mit Herz) konnten sich – besser spät als nie – nicht der Erleuchtung erwehren, dass ein attraktives Kulturangebot nicht nur aus den antiken Exponaten des deutschen Museums besteht. Nach einer einjährigen Testphase in München wurde dort 2004 und ab 2005 im ganzen Freistaat die Sperrstunde wie in Nordrhein-Westfalen auf eine Putzstunde von fünf bis sechs Uhr verkürzt. Und unsere Ratsherren der 'Metropolregion' rudern ungeachtet jeder kulturellen Realität mit voller Kraft in Geisterrichtung zurück zur Geisterstadt.

Dass die Freizeitangebote unserer Region nicht ohne ungeliebte Begleiterscheinungen funktioniert, soll unbestritten bleiben. Jedoch hat die Gastronomie solche Begleiterscheinungen alles andere als exklusiv gepachtet."

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