Weg mit Klischees: Urlaub in Polen voller Überraschungen

28.9.2017, 09:03 Uhr
Strandleben an der Ostsee.

© Matthias Niese Strandleben an der Ostsee.

Obwohl wir von Nürnberg aus schon nach knapp 430 Kilometern dort sind, kennen viele von Polen nur ein paar fiese Witze, in denen es meist ums Klauen geht. Sie vermuten, dass dieses vermeintlich rückständige Land noch immer gefährlich und schwierig zu bereisen ist und gruseln sich vor Ostblock-Flair mit Ladenba­racken, Plattenbauten, tristen Haus­fassaden, Kohlgeruch und Kohle­brand in der Luft. Und wird man nicht gerade als Deutscher dort noch immer misstrauisch beäugt und schlimmstenfalls bestohlen?

Die demokratische Wahl einer Regierung, die Ressentiments gegen Deutsche schürt und demokratische Institutionen kappt, scheint zu bestäti­gen, dass eine Mehrheit der Polen noch immer rückwärtsgewandt denkt. Doch wir sehen auch Bilder, auf denen Hunderttausende mit Wut und Witz auf schönen Plätzen den Nationa­listen die Stirn bieten.

Was für ein spannendes Land, denkt man sich da. Wir wollten diese Nachbarn kennen­lernen und sind als Familie knapp drei Wochen mit dem Wohnmobil zu ihnen gereist, übernachteten oft frei in Städten, an Schlössern, Seen, Strän­den und Häfen - näher kann man Land und Leuten kaum kommen. Diese Reise kann jeder dank vieler Campingplätze mit dem Zelt oder in den häufig dort angebotenen Häus­chen, in Pensionen und Hotels leicht nachmachen. Selbst zur Hauptsaison sollte man überall ein Quartier bekom­men.

Zu den Wurzeln der eigenen Familie

Es war auch eine Reise zu den eige­nen Wurzeln, denn wir wollten wis­sen, wie es heute ausschaut in Lom­nitz, wo 1943 die Mutter im damals noch deutschen Niederschlesien gebo­ren wurde. Solche Familiengeschich­ten gibt es viele in Deutschland. Die Zeit war reif für eine Spurensuche. Heute heißt das Örtchen und der Startpunkt der Reise Łomnica, es liegt nur 70 Kilometer hinter der deut­schen Grenze im Tal der Schlösser bei Hirschberg (Jelenia Góra) am Fuß des Riesengebirges. Dessen höchster Berg Schneekoppe, den sich Polen mit Tschechien teilt, ist 1603 Meter hoch. Zu seinen Füßen hatte sich der preu­ßische Adel Sommerresidenzen in die schöne Landschaft gestellt.

Viele davon waren in der Nachkriegszeit verfallen und wurden nach der Wende wachgeküsst, sie sind heute Hotels mit altem Charme, von Deutschen wie Polen gut besucht. Dort entspannen die Gäste, fahren Rad, wandern und können im Winter sogar Skifahren. Die Gegend zählt inzwischen zu den Top-Touristenregionen des Landes. Über die Städte Breslau (Wroclaw) und Krakau (Krakow) mit dem nahen Salzbergwerk und Unesco-Weltkul­turerbe Wieliczka, in dem riesige Kathedralen in den Salzstock geschlagen wurden, fuhren wir quer durchs Land gen Norden nach Danzig (Gdansk) an die Ostsee. Von dort reis­ten wir in Etappen von Badeort zu Badeort, von weiten Stränden und rie­sigen Wanderdünen gen Südwesten zurück. Wir haben dabei so viel gese­hen und erlebt, dass so manches Polen-Klischee über Bord geworfen oder zumindest relativiert werden muss:

Bei Sommerhitze haben Kinder an der Sprühfontäne vor dem Rathaus Breslaus ihren Spaß.

Bei Sommerhitze haben Kinder an der Sprühfontäne vor dem Rathaus Breslaus ihren Spaß. © Matthias Niese

Polen hat noch Ostblock-Ambiente?

Vor 21 Jahren bei einem Kurztrip nach Schlesien schien die Uhr stehen geblieben zu sein. Löchrige Straßen, die Fassaden grau und mit abfallen­dem Putz, die Zäune rostig und schief, viele Häuser, in denen einst Deutsche wohnten, standen leer, kaum Blumen, kaum Gehwege. Da waren die neuen Bundesländer schon viel weiter. Doch Polen musste sich erst aus eigenen Mit­teln, später mit Hilfe der EU aufhüb­schen. Es gelang. Beispiel Lomnitz: Der Ort hat nun gepflasterte Gehwege, unzählige Häu­ser wurden saniert, die Vorgärten sind gepflegt, überall blühen Blumen.

In Neubaugebieten entstehen Häuser, wie sie auch bei uns gebaut werden. In jedem noch so kleinen Dorf gibt es mindestens einen Tante-Emma-Laden. Die Wahrheit ist aber auch, dass viele Dörfer in anderen Regionen von Armut und Landflucht gezeichnet sind. In den Vororten der Städte ste­hen noch Plattenbauten, doch die Zen­tren wurden meist liebevoll saniert. Metropolen wie Breslau, Danzig und vor allem Krakau spielen als Tou­ristenmagnete mit moderner Infra­struktur in der selben Liga wie Prag oder Florenz. Und wenn die Polen etwas bauen, dann machen sie es heu­te gleich richtig schick und gut.

Die Infrastruktur ist rückständig?

In Polen wird überall gebaut. Die Stra­ßen haben sich verbessert, die wich­tigsten Städte sind durch Autobahnen (teils kostenpflichtig, aber billig) oder Schnellstraßen verbunden. Die Polen haben moderne Autos, allerdings ist der Fahrstil oft ruppig. Auf dem Land stehen viele Alleen, durch die buckeli­ge oder neue Straßen führen. In den Städten sind moderne Busse und Stra­ßenbahnen unterwegs - Tickets für rund 50 Cent pro Fahrt gibt es per Kre­ditkarte am Automaten in der Bahn. Selbst in Eisdielen kann man mit Kre­ditkarte zahlen. Bargeld holen Sie sich mit EC-Karte am Automaten. Achtung, immer den Betrag in Zloty wählen, sonst kommt ein saftiger Auf­schlag dazu. In jedem größeren Ort gibt es Tankstellen mit Shops, Städte haben meist Tourismusbüros, die bei Fragen weiterhelfen.

Polen ist schmutzig?

Es fällt auf: Das Land ist mindestens so sauber wie Deutschland, Städte und Grünanlagen sind noch sauberer. Hier wirft kaum jemand seinen Abfall im Vorübergehen einfach weg.

In Polen wird geklaut?

Polen hat solche wirtschaftlichen Fort­schritte gemacht, dass sich eine wohl­habende Mittelschicht gebildet hat. Wir haben unser Wohnmobil auf unbe­wachten Parkplätzen gut gesichert und keine Wertsachen darin gelassen - wie wir es überall machen würden. Auf der Reise fühlten wir uns sicher, nichts ist passiert. Einmal wurde zum Beispiel das Wechselgeld aus einer Bäckerei hinterhergetragen.

Das Essen ist deftig und eintönig?

Polnisches Essen ist lecker, abwechs­lungsreich und so günstig, dass wir fast nie selbst gekocht haben. Es wäre zu schade gewesen, Piroggen (mit Pil­zen, Kraut, Fleisch, Kartoffeln oder Käse gefüllte Nudelteigtaschen), Gulasch mit Kartoffelpuffern, mit Käse gefüllte und panierte Hähnchen­rouladen mit Kartoffelbrei und Kraut­salat, den frischen Fisch der Ostsee oder eine der vielen Suppen mit Schmand, Rote Beete und Ei nicht ken­nenzulernen. Eine Familie zahlt sel­ten mehr als 25 Euro - inklusive Getränke. Noch billiger sind die unzähligen Imbissstände. Danach schleckten alle ein leckeres Lody (Eis), das auch mit frischen Früchten in fast jedem Ortskern serviert wird - Polen ist Eis- und Waffel-Land!

Es gibt in Polen kein gutes Bier?

Bier von Braukonzernen kann dort genauso fad sein wie bei uns, doch Polen hat eine lebendige Kleinbrauer­szene, die ihre kreativen Biere in fast jedem Supermarkt verkauft. Eine Fla­sche kostet dort nur gut einen Euro, ein Massenbier die Hälfte, in der Knei­pe zahlt man unter zwei Euro.

Das Wetter ist schlecht?

In den ersten beiden Wochen im August hatten wir nur schönes Wet­ter. Im Süden war es richtig heiß, an der Ostsee leicht bewölkt bei etwa 22 Grad. Dann regnete es mal zwei Tage. Die Ostsee wird im Sommer 21 Grad warm, die unzähligen Badeseen sind deutlich wärmer.

Polen mögen die Deutschen nicht?

Auf der Reise ist uns kein einziges Mal ein Pole mit offensichtlichen Ressenti­ments begegnet. Alte wie junge Polen waren freundlich und neugierig, man sprach mit uns Deutsch, Englisch oder mit Händen und Füßen. Gerade Familien mit Kindern gegenüber ist man äußerst hilfsbereit.

Mehr Informationen: Polnisches Fremdenverkehrsamt, www.polen.travel/de Tel.: 0 30 /21 00 92 0

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