Wenn Bieberbach sich mächtig in Schale wirft

18.3.2012, 09:29 Uhr
Wenn Bieberbach sich mächtig in Schale wirft

© Richard Reinl

Spiegeleier? Nein, Spiegeleier kommen in den Bieberbacher Familien schon lange nicht mehr in die Pfanne, lacht Barbara Pickelmann. Schließlich braucht der Bieberbacher Osterbrunnen Jahr für Jahr tausend neue „Rohlinge“ für sein zerbrechliches Gewand.

Ausgeblasen werden die Eier, erzählt die Vorsitzende des Bieberbacher Vereins Club 22, der vor 30 Jahren den Brauch des Osterbrunnens wieder aufleben ließ, wie von alters her mit einem klitzekleinen Löchlein auf der Kopf-und Fußseite. Jedes der tausend Eier wird über ein Jahr hinweg gesammelt und einzeln ausgepustet, sei es als Grundlage für den Kuchenteig oder als Rührei. Eine Eierschale gar mutwillig aufzuschlagen und zu zerstören, so wie die Hausfrau es beim Spiegelei macht, steht bei den Bieberbachern nicht zur Diskussion. Ebenso wenig wie der Einsatz von Plastik-Eiern an ihrem Brunnen. „Ein Frevel!“, schimpft Pickelmann, „sei es Plastik-Rohlinge anzumalen und noch dazu die hässliche Plastik-Naht, die die zwei Hälften der Kunsteier zuschweißt, tststs!“

Noch vor Weihnachten beginnen für etwa vierzig Bieberbacher bereits die Vorbereitungen fürs Osterfest, dann werden die zerbrechlichen Kunstwerke fein säuberlich bemalt. Rote und gelbe Eier sollen der Tradition nach an jedem fränkischen OsterBrunnen sein. Rot für das Blut Christi und Gelb für die Farbe des Lebens und der Sonne, erzählt Pickelmann, aber auch Pink, Lila und Blautöne sind dabei.

Zerbrechliche Kunstwerke

Jede Bieberbacher Familie bemalt die Eier mit ihrem „hauseigenen“ Motiv: Wahre Kunstwerke sind darunter, mit christlichen Motiven wie Osterlämmchen im Mini-Format, aber auch Schneeglöckchen, rustikale Bauernmalerei oder grafische Muster. Nach dem Bemalen werden die Kunstwerke versiegelt, schließlich müssen die Eier ja auch dem Regen und eventuell sogar dem Schnee trotzen. Doch nicht nur vor der Witterung muss man die zerbrechlichen Kunstwerke schützen, erzählt Pickelmann. Einem „fiesen Mäuse-Attentat“ sind vor einigen Jahren unzählige bemalte Eier zum Opfer gefallen. Der hungrige Nager hatte sich den Winter über im Ostereier-Lager im Gemeindehaus an den Eierschalen ein wahres Gourmet-Menu aufgetischt. Seitdem sind die prachtvollsten Eier in Pickelmanns mäusefreien Privat-Keller sicher verwahrt. Zur Sicherheit hat man „Abschreck-Eier“ mit hämischen Katzen-Motiven bemalt...

Die heiße Phase beginnt etwa vier Wochen vor dem Osterfest. Dann treffen sich, montags bis freitags, jeweils von 14 bis 18 Uhr, rund zehn Bieberbacherinnen, um die Girlanden in sattem Grün zu binden. Acht große Girlanden und sechzehn kleine gilt es, auf einem riesigen Eisengestell mit Blumendraht und Tannengrün zu umwickeln. In ein Gemeindehaus oder eine Scheune passt der Osterbrunnen-Rohbau, der Jahr für Jahr seine Form ändert, schon lange nicht mehr, gearbeitet wird draußen, in freier Natur. Bei Wind und Wetter. Eine Lagerhalle dient als Unterschlupf.

Ein Halbtagsjob kurz vor Ostern

Keine leichte Aufgabe, wie Rosa Deuerlein erzählt. Von Anfang an, seit dreißig Jahren, ist die kecke Seniorin dabei, um ihren Brunnen zu schmücken. Ein echter Halbtagsjob sei das so kurz vor Ostern, täglich von Montag bis Freitag, die Hausarbeit muss bis Samstag warten. „Zwa boar Hänschi reichen net!“, die sie während dieser Zeit verbraucht, um die Finger vor den stachligen Nadeln zu schützen, erzählt sie. Und auch die zwei ehemaligen Schulkameradinnen Liesl Kraft und Lisette Dennerlein, liebevoll die „Eisernen Ladys“ der Truppe genannt, kommen mit ihren 82 Jahren täglich pünktlich zum Ostereier-Job. Handcreme könnt ihr vergessen, mahnen sie ihre jüngeren Kolleginnen, nehmt Rama!

Generationenübergreifend ist die Arbeit für den Bieberbacher Osterbrunnen, Mutter, Tochter und Enkelin machen hier mit, die Herren der Schöpfung sind „für die groben Arbeiten“ zuständig. Im Stundentakt kommt ein voll beladener Schlepper angezuckelt. mit frischem Tannengrün aus dem nahen Wald, mit Streu, Moos und Lorbeerzweiglein zur Dekoration. Bei einer kurzen Kaffeepause mit selbst gebackenem Gugelhupf und deftiger Stadtwurst — „des is des Allerschönste am Dooch!“ — sind sich alle einig: „Mir schmücken, a wenn kaaner kummt!“

Wenn aber die Besuchermassen kommen, und das werden sie mit Sicherheit ab Palmsonntag wieder, dann ist ihr größter Lohn, in strahlende Besucheraugen zu blicken.

Keine Kommentare