Für empfindsame Herzen

13.11.2017, 19:28 Uhr
Für empfindsame Herzen

© Katharina Erlenwein

Vieles, was an Webbers "Requiem" einst erfolgreich funktioniert hat, funktioniert auch heute noch – wenn auch ohne Überraschungseffekt: Allein schon zu Beginn mit dem anrührenden Knabensopran-Solo des stand- und artikulationsfesten, kein bisschen nervösen Johannes Rempp aus Stuttgart.

Oder mit der feinen und gut verständlichen Intonation des Lehrergesangvereins (LGV), dem man die intensive Einstudierung durch ein Dreierteam anmerkt. Man bewundert in der zügigen und in keiner Weise geschwätzigen Satzfolge, die sich Webber zurechtgelegt hatte, die Solisten: den Tenor Dean Power von der Bayerischen Staatsoper und dort vielbeschäftigt. Oder Zinovia Maria Zafreiriadou aus Slowenien, die eine zwar zarte, aber auch in extremen Höhen sichere Besetzung der Sopranpartie war.

Anleihen bei Verdi und Orff

Sie alle ergeben zusammen mit den Nürnberger Symphonikern unter Tarmo Vaask eine Webber-Interpretation, die von Anfang an für sich einnimmt. Mit ihren wirkungsvollen Instrumentalfarben von der Harfe bis zur Orgel träumt man sich in die guten alten Musicalzeiten zurück. Wundert sich allerdings auch, dass Webber bei Verdi oder Orff ziemlich unverhohlen Anleihen gemacht hat – ohne die Originalität dieser Vorbilder zu erreichen.

Origineller wird Webber, wenn er seiner eigenen englischen Chortradition folgt, besonders beim typischen Einsatz des Knabensoprans. Oder den eigenen Musical-Ideen, etwa im "Recordare". Von daher kommt das vorbehaltlose melodische Schwelgen, das den Chordamen im "Lacrymosa" eindrucksvoll gelingt. Da erreicht der Chor präzise Stimmkultur, der man die formende Hand des routinierten Opernchor-Leiters Vaask anmerkt.

Und natürlich verfehlt auch das erfolgreiche "Pie Jesu" seine Wirkung auf empfindsame Gemüter und Herzen nicht: die beiden Soprane auf dem Weg zu einer besseren Welt und in exakt kalkulierter Schlichtheit.

Geschmackssache bleiben die aufdringlichen Tanzrhythmen oder das allzu polystilistische Offertorium mit seiner aufgesetzten Fröhlichkeit. Aber tot Geglaubte wie dieses Webber-"Requiem" leben trotzdem offenbar länger. Besonders wenn sie so authentisch gelingen wie hier beim Lehrergesangverein.

Stück ist zu kurz

Nur einen Fehler hat das Stück: Es ist zwar keine Minute zu lang, aber insgesamt zu kurz für einen Konzertabend. 1987 bei der Nürnberger Erstaufführung schickte ihm Wolfgang Riedelbauch Christoph Willibald Gluck und Franz Liszt voraus.

Tarmo Vaask wählte diesmal und genauso zufällig wirkend zwei Konzertstücke: aus Ungarn sowie aus seiner Heimat Estland Heino Ellers (1887-1970) "Heimatliche Weisen". Immerhin war im Hornkonzert von Frigyes Hidas der Symphoniker-Solist Matthias Nothelfer ein tadelloser Interpret für dieses mit allerlei Percussion glitzernde freundliche Füllsel. Und das rundete den Abend mit Musik von gestern mit der von vorgestern ab. Die kuriose Stücke-Kombination war alles in allem einigermaßen merkwürdig, aber nicht unbedingt des Merkens würdig. . .

Nächstes LGV-Konzert: 30. Dezember, Meistersingerhalle, 19 Uhr; Jahresschlusskonzert mit Werken von Carl Maria von Weber (darunter Auszüge aus der Oper "Der Freischütz"); Karten unter: Tel. 09 11 / 22 25 42 oder www.lehrergesangverein.de

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