Gedeckter Tisch zum Abschluss der Erntemühe

30.8.2014, 06:00 Uhr
Gedeckter Tisch zum Abschluss der Erntemühe

© Foto: Sabine Rempe

Nanette Herz blättert rasch durch ein eng beschriebenes Schulheft. Die 87-Jährige ist auf der Suche nach einer ganz bestimmten Stelle in ihren Erinnerungen, die sie hier vorsorglich festhielt. „Ich will ja nichts vergessen.“ Eine Sorge, die überflüssig erscheint. Im Gedächtnis der ehemaligen Kreisbäuerin ist fest verankert, was einst war und heute ist. Ohne einen Blick in ihr Heft zu werfen, erklärt sie erst einmal, was längst nicht mehr zum Allgemeingut zählt: Was nämlich hinter diesem verwunderlichen Ausdruck vom Niederfall steckt.

„Die einen sagen, das kommt vom auf die Knie niederfallen, um Gott zu danken für das gute Wachsen und Einbringen der Ernte, für den Schutz vor Gewitter und Hagelschlag“, macht Nanette Herz klar. Allerdings gebe es auch die Ansicht, dass mit dem Begriff auf das letzte Getreide angespielt wird, das bei der Ernte wortwörtlich niedergefallen ist. Ihr erscheine zwar die erste Erklärung einleuchtender, viel wichtiger sei allerdings, dass lange Zeit „der Niederfall eines der großen Feste des Jahres war“. Nicht zu verwechseln übrigens mit dem Erntedankfest.

Für viele Generationen war die Ernte eine kräftezehrende Zeit. Bevor sich neue Methoden und nicht zuletzt die Technisierung nach und nach durchsetzten, arbeiteten „die Schnitter wochenlang von früh vier Uhr bis in die Nacht“. Es sei ja wohl kein Wunder, überlegt Nanette Herz, dass der Abschluss von so viel Mühe, Schweiß und Plage kräftig gefeiert wurde.

Seit 1645 ist der Cadolzburger Bauhof in der Hand ihrer Familie. „Wir haben noch eine alte Schrift“, erinnert sich die engagierte Landfrau, „darin steht, dass die Helfer bis von Laubendorf kamen, um die Ernte für den Burgherrn einzubringen.“ Früher sei das Getreide auf höhere Beete gesät worden, deshalb konnte es mit der Sichel geschnitten werden. „Mein Großvater hat aber schon vor der Jahrhundertwende auf die Ebene gesät.“ Von nun an musste zur Sense gegriffen werden. „Die meisten Schnitter waren ,gedungen‘, pro Tag gab es zehn Pfennig bis zwei Mark Lohn.“

Ganz genau hat Nanette Herz notiert, wie es dann „so ungefähr um 1880“ zur Erntezeit zuging: „Um fünf oder sechs Uhr gab es das erste Frühstück: Eine Milchsuppe mit Wasser verdünnt und Brotscheiben darin. Dazu im Backnapf Kartoffeln und vielleicht einen Malzkaffee.“ Gegessen wurde aus einem Topf und stets war es der Großknecht, der zuerst seinen Löffel eintunkte. Alle anderen mussten sich sputen. Sobald der Großknecht seine Mahlzeit beendet hatte, durfte niemand mehr zugreifen. Später am Tag gab es zur Brotzeit ein nicht so starkes Bier: „Das wurde in einem Holzkrug, der Stützn, aufs Feld geschafft und im Wasser eines schattigen Grabens kühl gehalten.“

Irgendwann war es geschafft. Der letzte Erntewagen wurde — geschmückt mit Zweigen — eingefahren. Herausgeputzt wurden auch die Pferde und sogar die Peitschen. Eine letzte Garbe ließ man auf dem Acker liegen, sie war für die „Ammafraa“, die Hebamme, bestimmt. Einen Beweis dafür, wie dankbar die Menschen für den guten Abschluss der Ernte waren, hat Nanette Herz in der Familienbibel gefunden. Bereits am 13. August 1803 wurde dort eingetragen: „Da hat uns Gott so gesegnet, da das Korn von 34 und 35 Gulden bis auf 13, 14 und 15 Gulden herabgegangen ist; da muss man doch sagen: Herr, Herr deine Güte ist groß und deine Guttaten triefen von Vett.“

Ein schönes Bild und vielleicht gar kein schlechtes Leitwort für das anschließende Niederfallfest. Auf dem Speiseplan standen zu diesem Anlass Hühnersuppe, selbstverständlich selbstgemachte Nudeln, Gemüse aus dem Garten, Schweinefleisch, Kraut aus dem Fass und vieles andere mehr. Nicht zuletzt wurde auch stärkeres Bier ausgeschenkt. „Und das alles in solchen Mengen, bis jeder satt war.“

Nanette Herz erinnert sich an einen Brauch, den ihre Großmutter einhielt: „An diesem Tag wurde stets das letzte Mehl der alten Ernte verbacken und so kamen natürlich auch frisches Brot und Küchle auf den Tisch.“ An die reich gedeckte Tafel geladen waren alle, die bei der Ernte geholfen hatten: Knechte, Mägde, Taglöhner, Nachbarn.

In ihrer Zeit als Kreisbäuerin hat Nanette Herz dafür gesorgt, dass der Niederfall nicht in Vergessenheit geriet. Sie gestaltete mit mehreren Ortsbäuerinnen den Festabend im Bauhof, zu dem jeder etwas Gutes mitbrachte: „Verzierte Eier, Torten, Salate, Wurstplatten . . .“ Es wurde Musik gemacht und es gab eine Polonaise im Hof und rund um den Weiher. Nun knüpft der BBV-Kreisverband Fürth an diese tiefverwurzelte Sitte an.

Das Niederfallfest am 31. August beginnt um 19.30 Uhr in der Seukendorfer Kirche St. Katharina. Die Andacht wird von Dekan André Hermany und Pfarrerin Marion Fraunholz gehalten, Posaunenchor und Landfrauenchor Fürth übernehmen die musikalische Gestaltung. Anschließend geht es in die Konrad-Scheune neben der Kirche. Und selbstverständlich wird es etwas zu Essen und zu Trinken geben. So will es schließlich die Tradition.

Keine Kommentare