Gesungene Stille in Gunzenhausen

6.10.2016, 15:45 Uhr
Gesungene Stille in Gunzenhausen

© yvonneundmax.de

Weit und breit gab es in seiner schwäbischen Heimat nicht die Möglichkeit, ein solches Ensemble auf die Bühne zu bringen, wie das Karl-Friedrich Beringer mit dem Chor Monte Soprano und dessen mächtiger Sängerriege am Sonntag in der komplett gefüllten Zionshalle gelingt. Rund 80 Sänger, allesamt durch die exklusive Windsbacher Musikschulung gegangen, ziehen vom ersten Akkord an die 1500 Zuhörer in ihren Bann. Wären da nicht die quietschenden Stühle auf der Hensoltshöhe, es wäre ein Musikabend ohne das geringste störende Geräusch geworden.

Seit Beringer 2011 erst den weltberühmten Knabenchor aus den Händen gab und sich danach eine gewisse Auszeit gönnte, glüht dieser fanatisch-charismatische Chorleiter mit seinen 68 Jahren wieder vor Lust, den besonderen, den einzigartigen Klang hervorzukitzeln. Dazu versammelt er seine einstigen Buben ebenso wie die seines Vorgängers Hans Thamm und die jetzt schon größer werdende Schar Ausgeschiedener seines Nachfolgers Martin Lehmann zu äußerst anspruchsvollen Projekten.

Wenn wie jetzt am Freitagabend nach der Anreise der Sänger aus dem gesamten Bundesgebiet alle eingetroffen sind, werden die Noten verteilt für ein zweistündiges Konzertprogramm, das es danach in weniger als 48 Stunden einzustudieren gilt. Einzig die jahrelange Herausforderung in einem Spitzenchor lässt ein solches Vorhaben in einem vollkommenen Klanggenuss enden.

Zur Aufführung kommen neben etlichen Silcher-Highlights wie dem Lindenbaum oder dem König von Thule auch Werke von Karl Schauß, Helmut Duffe, Johannes Brahms, Friedrich Kuhlau oder Franz Abt. Ein kleinerer geistlicher Abschnitt rückt Josef Rheinberger („Bleib bei uns“) und Josef Gruber („Ave Maria“) ins Zentrum.

Klaus Bucka, auch er ein einstiger Windsbacher, passt für den Monte Soprano in akribischer Feinarbeit zahlreiche für gemischten Chor geschriebene Werke auf die Bedürfnisse eines Männerensembles an. Am Flügel lässt Manfred Meier-Appel (Musikhochschule Nürnberg-Augsburg) Klangkaskaden dahinperlen, das Thema des jeweils nächsten Gesangstückes aufnehmend und in Form einer spontanen Improvisation kommentierend.

Kaum "freier Ausgang" für die Sänger

Alles an diesem Abend kommt schlank daher. Nur in ganz wenigen Momenten gewährt Beringer seinem riesigen Klangkörper „freien Ausgang“. Das Forte-Singen überlässt er lieber denen, die ein drei- und vierfaches Pianissimo nicht im Angebot haben. Also sind es die leisen, die gänzlich intimen Momente, in denen sich das Vermögen der Männerschar so richtig zeigt. Die gesungene Stille passt eben besser zu den romantischen Gedanken, um die sich die auch in den leisesten Sequenzen stets präzise deklamierten Texte drehen: um Liebe, Leiden, Tod.

Eigentlich sollte dieser Konzertabend die Generalprobe für eine geplante Reise in den Oman werden. Das Märchen aus 1001 Nacht wurde nach monatelanger Planung jedoch schweren Herzens abgesagt, als die ständigen Änderungen und mangelnden Zusagen der omanischen Behörden nicht länger hinnehmbar waren. Erst die Freude, die reine Lust, sich trotzdem zu treffen und das Projekt so nicht komplett sterben zu lassen, machte dann wenigstens den berauschenden Abend in Gunzenhausen möglich. Noch bis Weihnachten soll daraus eine CD entstehen.

Am Ende gibt es stehenden Applaus. Selbst eine von schwerer Erkrankung gezeichnete Dame in der ersten Reihe bittet ihre Begleiter, ihr zum Beifall für einen Moment auf die Beine zu helfen. Das Ende eines zu Herzen gehenden Musikerlebnisses.

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