Heroldsberg: Reise in das Reich der Riesenechsen

14.9.2014, 08:59 Uhr
Heroldsberg: Reise in das Reich der Riesenechsen

© Scott Johnston

Längst sind die Dinos zu Filmstars avanciert, doch in den 1830er Jahren stritten die Wissenschaftler noch heftig darüber, ob es vor vielen Millionen Jahren möglicherweise Riesenechsen auf der Erde gegeben hat. Friedrich Engelhart faszinierte diese Theorie. Immer wieder durchstreifte er mit Schülern die Wälder rund um Nürnberg, studierte Minerialien und ließ bei Altdorf nach Überresten von Sauriern graben. Wenige Jahre zuvor hatte man nämlich in Südengland seltsame Zähne und Knochen gefunden, die eigentlich nur von gigantischen Reptilien aus der Urzeit stammen konnten.

Dreijährige Untersuchung

Heroldsberg: Reise in das Reich der Riesenechsen

Am Fuße des Buchenbühls, einem Hügel zwischen dem heutigen Nürnberger Stadtteil gleichen Namens und Heroldsberg, fielen dem Chemiker und Lehrer ungewöhnliche Knochen auf, die er noch im selben Jahr bei der Versammlung Deutscher Naturforscher und naturforschender Ärzte in Stuttgart präsentierte. Anschließend schickte er seine insgesamt 45 Fundstücke an Hermann von Meyer, dem bedeutendsten Paläontologen des 19. Jahrhunderts.

Heroldsberg: Reise in das Reich der Riesenechsen

Akribisch untersuchte der Frankfurter Experte die Knochen und kam drei Jahre später zu dem Schluss, dass sie von einem „Riesenthier aus einem Sandstein des oberen Keupers“ herrühren mussten. Der oberere Keuper wird auch Räthsandstein genannt und ist bekannt für seine wildromantischen Schluchten, wie sie bei Kalchreuth, Oberschöllenbach und Altdorf anzutreffen sind. Quasi als Finderlohn für den Entdecker erhielt der Saurier den Namen Plateosaurus engelhardti, was „Engelhardts flache Echse“ bedeutet. Der Nürnberger Forscher wird manchmal mit „t“ und manchmal mit „dt“ am Ende geschrieben.

Plateosaurus engelhardti ist der älteste Dinosaurier, der im berühmten Senckenbergmuseum von Frankfurt ausgestellt ist. Zwei Tonnen wogen die Reptilien, die vor 210 Millionen Jahren nicht nur den Heroldsberger und Altdorfer Raum, sondern auch das Gebiet um Villingen-Schwenningen bevölkerten, wo sie im Volksmund „schwäbische Lindwürmer“ genannt werden.

Es handelte sich um reine Pflanzenfresser, die hauptsächlich Früchte von Palmfarnen (Cycadeen) und das Laub von Bäumen fraßen. Sie gelten als Vorläufer der riesigen Langhalssaurier. Die Zweibeiner lebten in Herden und hatten zur Verteidigung große Krallen an den Händen. Gern machte sich Angela Wirsing die Finger dreckig und fischte in einem Bächlein nach einem wichtigen Merkmal jener Zeit, das sie den zahlreichen Teilnehmern der Exkursion zeigte: Ein rot-brauner Batzen, den der gewöhnliche Franke wissenschaftlich ungenau als „Lebberi“ bezeichnen würde.

Dieser Feuerletten kann eine knallig rote Farbe annehmen und zu Ziegeln gebrannt werden. So gab es früher in der Gegend nicht nur zahlreiche Tongruben, sondern auch Ziegelhütten, was sich auch in dem Nürnberger Stadtteil Ziegelstein dokumentiert.

Vor 210 Millionen Jahren herrschte bei uns ein ganz anderes Klima als heute. Es war, als würde Heroldsberg auf dem Breitengrad von Kairo liegen: Statt „Steckerlaswald“ wäre es umgeben von Wüste. In einer Zwischenperiode mit gemäßigt feuchtem Klima eroberte Plateosaurus engelhardti diesen Lebensraum.

Salzsäure im Gepäck

Kalkknollen, auf die man zwischen Heroldsberg und Büchenbühl immer wieder stößt, heißen im Fachjargon Plateosaurus-Konglomerate. Der Kalk in dem Gesteinsgemisch lässt sich leicht nachweisen, wenn man wie Angela Wirsing ein Fläschchen Salzsäure im Rucksack mit sich führt. Ein paar Tropfen und schon bilden sich zahlreiche Blasen auf dem Stein, der Kohlendioxid und Wasser freisetzt.

Die Geologin, welche die Exkursion für die Naturhistorische Gesellschaft in Nürnberg durchführte, erläuterte noch viele weitere interessante Details aus der Erdgeschichte. Vor allem die Kinder waren von dem ehemaligen Sandsteinbruch nahe der B2 begeistert, der lange Zeit auch als Indianer-Spielplatz genutzt wurde.

Und die Erwachsenen? Sie konnten sich nur schwer vorstellen, dass hier vor 190 Millionen Jahren einmal der Fränkische Mississippi strömte und sich wie sein amerikanisches Pendant in einem großflächigen Delta verzweigte. Die Gründlach der Gegenwart ist da schon um einige Dimensionen schmäler unterwegs.

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