„Ich möchte wissen, wie sich ein Siegerpokal anfühlt“

19.8.2016, 20:35 Uhr
„Ich möchte wissen, wie sich ein Siegerpokal anfühlt“

© Foto: Karlheinz Daut

„Ich möchte wissen, wie sich ein Siegerpokal anfühlt“

© Foto: Harald Sippel

„Wir wollen Einblicke in die gelebte Inklusion liefern, Tipps geben und Experten aus Vereinen, die sich schon lange mit diesem Thema beschäftigen, dazu anhören“, kündigten Kristina Höhn und Solveig Meier zu Beginn der knapp zweistündigen Informationsveranstaltung im Schönen Saal des Rathauses an. Das an diesem Abend als Moderatoren fungierende Duo teilt sich die eineinhalb sozialpädagogischen Stellen, die für das Freizeitnetzwerk Sport (siehe Stichwort) im vergangenen Jahr geschaffen wurden. Als Co-Gastgeber war auch der SportService der Stadt Nürnberg involviert, vertreten durch Bürgermeister Klemens Gsell.

„Die Zeit für eine Kooperation mit dem Freizeitnetzwerk war reif“, sagte Hausherr Gsell bei seiner Begrüßungsrede, „das Thema ist ja nicht vom Himmel gefallen.“ Erste Erfahrungen mit Sport und Behinderung hatte Gsell in seiner Zeit als Vorsitzender des 1. FC Nürnberg Frauenfußball gesammelt, als Sportbürgermeister beschäftigt es ihn nun weiter. So kenne er die Sorgen der Vereine, die keine barrierefreien Sportanlagen besitzen und denen das Geld für einen Umbau fehlt. Auch die fehlende Erfahrung sei ein Hindernis beim Inklusionssport. Um den Vereinen die Arbeit zu erleichtern, wolle die Stadt vor allem die Übungsleiter in diesem Bereich fördern. Bürokratische Hürden, die den in der Regel ehrenamtlich tätigen Vereinsvertretern dabei im Wege liegen, wollte Gsell gar nicht verschweigen. Aber: „Inklusion ist ein gesellschaftliches Thema. Das betrifft die Schule, den Sport und die Arbeitswelt, deshalb werden wir dieses Thema in Nürnberg weiter bearbeiten.“

Arbeit. Davon kommt sicherlich auch eine ganze Menge auf Vereine zu, die sich dem Thema Inklusionssport widmen wollen. Übrigens werden dabei auch zwei Arten von Inklusion unterschieden: die direkte, in der Behinderte und Nichtbehinderte gemeinsam Sport betreiben; und die indirekte, wenn beispielsweise Behindertensportgruppen im Verein ein Zuhause finden.

Etwa 40 Vertreter fanden sich unter den Zuhörern wieder, und die bekamen von Kristina Höhn und Solveig Meier anschaulich erklärt, wie genau diese Arbeit aussieht. Und vor allem, welche Herausforderungen, aber auch Chancen der Sport mit Behinderten bietet. Bei den Chancen für Sportler mit und ohne Behinderung fällt auf, dass es einige Überschneidungen gibt. Allen voran die sportliche Betätigung an sich, die bekanntlich keinem Menschen schadet. Aber auch die Förderung sozialer Kompetenzen und die Entwicklung der Persönlichkeit. Für Menschen mit Behinderung haben besonders die Wertschätzung, der Respekt und die Anerkennung, die sie erfahren, einen hohen Stellenwert.

Höhere Kosten, aber auch neue Mitglieder und Imageverbesserung

Eine Umfrage unter Vereinen mit Behindertensport im Angebot hat ergeben, dass beispielsweise die höheren Kosten für zusätzliches Material und Personal und strukturelle Themen – der Transport zum Vereinsgelände oder die barrierefreien Sportstätten – als große Herausforderungen gesehen werden. Als positive Effekte sehen die befragten Vereine unter anderem die Gewinnung neuer Mitglieder, den erhöhten Bekanntheitsgrad und eine Imageverbesserung, einhergehend mit einem Zugewinn an Sponsoren, die diesem Thema aufgeschlossen gegenüberstünden.

Nur Positives hatten die Teilnehmer an der abschließenden Gesprächsrunde zu berichten. Roland Thumser beispielsweise, der als Vater eines schwerbehinderten Kindes vor vier Jahren bei der DJK Sparta Noris eine Behinderten-Fußballmannschaft ins Leben gerufen hat. „Mittlerweile haben wir 21 Spieler im Alter zwischen fünf und 26 Jahren“, berichtete der Trainer.

Oder Andreas Neugebauer, der Geschäftsführer des Post SV, der mittlerweile viele Gruppen, speziell aus dem Bereich Fit und Gesundheit, für behinderte Sportler geöffnet hat. „Wir haben unser Angebot geprüft und geschaut, wo es passen könnte. Die Abteilungsleiter und Trainer müssen es wollen, dann macht es auch Sinn.“

Oder Marliese Lifka, die für ihre heute 13-jährige schwimmbegeisterte Tochter mit Down-Syndrom vor Jahren eine Absage von einem Vereinsvorsitzenden zur Aufnahme bekommen hatte. Daraufhin hat sie sich selbst zur Schwimm-Trainerin ausbilden lassen und trainiert nun Kinder mit Handicap. Ihre Tochter ist inzwischen als einziges behindertes Kind Mitglied einer Schwimmgruppe beim Post SV. „Sie hat ihre Leistungen klar gesteigert, und die anderen Kinder in der Gruppe reflektieren sich selbst viel mehr“, hat Lifka erfreut festgestellt.

Ralf Lauschner wiederum leidet an Epilepsie, hat früher an der Schule Fußball gespielt, dann wegen einer Ausbildung damit aufgehört und sucht nun einen Verein. Warum er wieder anfangen will? „Ich möchte mit einer Mannschaft etwas gewinnen und wissen, wie sich ein Siegerpokal anfühlt.“

 

Freizeitnetzwerk als Schnittstelle

Seit Juli 2015 gibt es das „Freizeitnetzwerk Sport“ bei der Lebenshilfe in Nürnberg. Gefördert wird das Projekt über drei Jahre hinweg durch die Aktion Mensch. Es geht um Inklusion im Sport – den gemeinsamen Sport von Menschen mit und ohne Behinderung im Sportverein. Das Netzwerk möchte Menschen mit Handicap den Zugang zu Nürnberger Sportvereinen erleichtern und das selbstverständliche Miteinander bei sportlichen Aktivitäten fördern. Ziel ist es, eine inklusive Sportlandschaft in Nürnberg zu schaffen.

Das Netzwerk sieht sich in einer vermittelnden Position zwischen Sportvereinen und -angeboten, Behinderteneinrichtungen und anderen Diensten für Menschen mit Behinderung. Es hat viele Möglichkeiten, um Vereine, Übungsleiter, Trainer und Sportbegeisterte auf dem Weg zur Inklusion zu unterstützen – sei es durch die Organisation einer Assistenz, Hilfe bei der Kontaktaufnahme, Beratung oder Unterstützung bei der Organisation von inklusiven Sportangeboten.

Einige Vereine in Nürnberg haben bereits ihre Angebote für Menschen mit Behinderung geöffnet. Die Angebote werden durch das Netzwerk fachlich begleitet, und es steht als Ansprechpartner zur Verfügung.

Weitere Infos und Kontakt unter www.lhnbg.de

 

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