"Idiot des Abends" auf der Bühne in Muhr am See

25.6.2016, 17:31 Uhr

© Babett Guthmann

Die Vorbehalte gegen Komödien, in denen Männer im roten Bademantel auftreten, sind nicht ganz von der Hand zu weisen. Man denkt sofort an die üblichen Plattitüden des Boulevardtheaters, an Slapstick, knallende Türen und derbe Witze. Im Auftakt-Stück der Festspiele sehen sich die Zuschauer zwar von Beginn an bis zur Pause genau mit einem solchen Bademantel-Szenario konfrontiert, doch keine Sorge: Der steinreiche Pariser Verleger Pierre Brochant wollte eigentlich zu seinem wöchentlichen „Dinner für Spinner“ aufbrechen. Dort wird allwöchentlich ein geladener Gast mit möglichst schlimmen Marotten eingeladen, über den sich Brochants Freundeskreis dann einen Abend lang lustig macht. Diesmal muss er aber passen und seine üble Mobbing-Runde absagen: Hexenschuss, deshalb der Bademantel.

Wie ein Fleisch gewordenes Fragezeichen stackelt Miro Trott als Brochant nun über die Bühne; und da es ihm nicht gelingt, seinem für den Abend eingeladenes Mobbing-Opfer abzusagen, wird er von Francois Pignon einen Abend lang betreut, getröstet und in ganz und gar unglückselige Situationen gebracht.

Mit Witz und Tempo

„Das ist wie Florettfechten“, beschreibt Christian A. Schnell, der die Inszenierung geleitet hat, die witzigen Wortwechsel, aus denen das Stück zusammengesetzt ist. Was er meint: Die Komödie setzt weniger auf Klamauk und Stolpersteine denn auf das elegante Wortgefecht. Jeder Satz sitzt; und das von Tina-Nicole Kaiser, Armin Sengenberger, Hartmut Kühn und Erwin Kleinwechter komplettierte Ensemble versteht sich auf die Kunst, den Sticheleien und Missverständnissen das richtige Tempo mitzugeben.

Der französische Autor des Stücks Francis Veber hatte seinen ersten Erfolg mit dem Drehbuch für „Der große Blonde mit dem schwarzen Schuh“; und wer Filme mit großen Komikern wie Gerard Depardieu oder Louis de Funès kennt, der ist sicher schon auf Veber gestoßen. Vom Theaterstück „Dinner für Spinner“ gibt es übrigens sowohl eine französische als auch eine amerikanische Filmversion.

Doch zurück zum Stück: Seit zwei Jahren ist Pierre Brochant mit Christine verheiratet, die sich schon immer an den „abscheulichen Dinnerabenden“ gestoßen hat, bei denen ein bedauernswerter Gast mit seinen Marotten unbarmherzig aufgezogen wird. Sie fordert, Pierre solle damit aufhören, doch dieser kontert: Einen Weltklasse-Trottel habe er diesmal aufgetan, der aus Hunderten von Streichhölzern Modelle anfertige. Ein Spinner und Blödmann sei das, über den man sich doch lustig machen dürfte. Christine erträgt die Haltung und die Worte ihres Mannes nicht mehr und hat vor, ihn zu verlassen.

Heimliche Geliebte und Steuerfahnder

So sehen die Zuschauer den reichen Verleger vor sich: schmerzgekrümmt auf dem Sofa, von der Ehefrau sitzengelassen, nun der Gesellschaft des reichlich skurrilen Francois Pignon ausgesetzt. Dieser macht sich daran, Pierre mit einer gehörigen Portion diplomatischer Ungeschicklichkeit zu „helfen“. In Wirklichkeit bringt er das Leben des Verlegers in eine gehörige Schieflage, erzählt der Ehefrau von Pierres heimlicher Geliebten und lädt einen gefürchteten Steuerfahnder in die mit Kunstgegenständen reich bestückte Wohnung ein.

Francois meint es bei allem Missgeschick ja nur gut, doch bald ist Pierre klar, dass es nichts mehr zu fürchten gibt als genau jene Gutmütigkeit und Fürsorge. Das Publikum kann mit Vergnügen beobachten, wie die Nervensäge Francois das geordnete Leben eines erfolgreichen Verlegers in seine Einzelteile zerlegt.

Wer sich das Vergnügen machen will, dabei Zeuge zu sein: Noch neun „Dinner für Spinner“ stehen auf dem Festspielplan, möglichst elegant um die Spiele der Europameisterschaft verteilt, sodass auch die Fußballfans kommen können.

Keine Kommentare