In der Mittelschule Veitsbronn verstehen sich alle einfach spielend

12.4.2016, 06:00 Uhr
In der Mittelschule Veitsbronn verstehen sich alle einfach spielend

© Foto: Sabine Rempe

Begeistert klopft der kleine Junge dem Mädchen, das neben ihm sitzt, auf die Schulter und deutet stolz auf den Turm aus Duplo-Steinen, den er gerade gebaut hat. Die beiden lachen. Worte sind hier überflüssig.

Madeleine (15) und Jonas (13) haben allerdings einen Weg gefunden, um sich mit Shakar zu unterhalten. Der 16-Jährige, der aus dem Irak stammt, kann sich auf Englisch mit den Schülern verständigen. Nachdem Namen und Alter ausgetauscht sind, berichtet Shakar noch kurz, dass er über die Türkei, Griechenland und Mazedonien nach Veitsbronn kam, dann haben die Jugendlichen etwas vor: „Wir gehen Fußball spielen“.

Sabine Lindner, Klassenleiterin der 8 a, rief das Projekt Spielnachmittag gemeinsam mit der Sozialpädagogin Meike Weber ins Leben. Für die Schülerinnen und Schüler ist das Ganze eine freiwillige Sache. „Aber der Elan lässt nicht nach“, sagt Meike Weber erfreut. „Wir haben null Probleme damit, dass sie keinen Spaß mehr an diesen Treffen hätten.“

Auch die Mütter kommen

Zwölf Jugendliche aus der 8 a und zehn Flüchtlinge zwischen drei und 16 Jahren sind diesmal zusammengekommen. Es sind kurdische und syrische Kinder, die in der Unterkunft abgeholt und wieder dorthin zurück begleitet werden. „Oft gehen auch Mütter mit zu unserer Spielstunde“, erklärt Sabine Lindner. „Jetzt gibt es dort für sie allerdings zur gleichen Zeit einen Sprachkurs.“

Im Klassenzimmer in der Veitsbronner Mittelschule steht heute vieles auf dem Stundenplan, was auch den jüngeren Kindern Freude macht: Malen, Bausteine aufeinandersetzen, herumflitzen. „Die Wasserfarben sind immer besonders begehrt“, wissen die beiden Pädagoginnen.

Beim gemeinsamen Tun entwickelt sich rasch ein Gefühl der Zugehörigkeit. An diesem Nachmittag ist ein Junge, der derzeit in der Unterkunft lebt, augenscheinlich traurig. Er hat sich an den Rand gesetzt, mag nicht mitmachen. Etwas belastet ihn, das ist offensichtlich für die anderen Jungen und Mädchen, die ihn nicht alleine lassen, sondern Kontakt aufnehmen und sich zu ihm setzen.

„Wir hatten das Glück, dass uns bei den ersten Treffen eine Familie als Dolmetscher zur Seite stand“, sagt Sabine Lindner. Unterstützung gibt es zum Beispiel auch von einem Mitarbeiter der Security, der in der Unterkunft arbeitet und schon mal mit seinen Sprachkenntnissen beispringen kann, wenn Englisch oder erste deutsche Wörter nicht weiterhelfen.

Sabine Lindner engagiert sich in Veitsbronn beim Bund Naturschutz ebenfalls für Flüchtlinge, hier leitet sie eine Gruppe, mit der sie „viel raus in die Natur geht“. Ihr ist es sehr wichtig, zunächst einmal „alle Kinder, die hier sind, herzlich willkommen zu heißen“. Das selbstverständliche, ungezwungene Miteinander gibt auch bei den Treffen in der Schule den Ton an. Meike Weber macht klar: „Unsere Schüler werden mit ihren Erlebnissen zu Multiplikatoren, wenn sie anderen davon berichten, was sie erleben.“ Nicht zuletzt, so Weber, werde auf diese Weise sehr anschaulich erfahren, dass „es niemals irgendwelche einfachen Erklärungen gibt“, die als Begründung herhalten könnten, über Menschen als namenlose Gruppe zu urteilen.

Solche Gedanken spielen im Schulleben eine wichtige Rolle. Gemeinsam strebt man zum Beispiel mit zahlreichen Projekten die Auszeichnung „Schule ohne Rassismus, Schule mit Courage“ an.

Regelmäßig gibt es unter anderem auch einen Stand, an dem Schüler in der Pause Snacks aus fairem Handel anbieten. „Im Grunde geht es immer darum, dass die Jugendlichen spüren, wie jeder einen Beitrag zu einem komplexen Thema leisten kann, der wesentlich ist und zählt, obwohl er auf den ersten Blick vielleicht klein erscheinen mag“, verdeutlichen die beiden Pädagoginnen.

Ein Lied für die Kleinen

Im Klassenzimmer der 8 a geht es mittlerweile ans Aufräumen. Hand in Hand packen alle mit an. Die Bausteine verschwinden in der großen Kiste, die Pinsel werden ausgewaschen, die Malfarben verstaut. Zum Abschluss kommen alle in einem großen Sitzkreis zusammen. Sabine Lindner lacht: „Wir singen jetzt ein Lied, das alle mögen und sich immer wieder wünschen, obwohl es eigentlich für ganz kleine Kinder gedacht ist . . .“ Sie hat recht. Bei „Alle Leut’ geh’n jetzt nach Haus’“ stimmt tatsächlich jeder ein. Ein Junge hat sich schon an die Tür gestellt für den Rückweg zur Unterkunft, schnell dreht er sich jetzt noch einmal um, winkt in die Runde und sagt: „Auf Wiedersehen“.

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