"Jetzt red i" in Hersbruck: Talkabend ohne Zündstoff

27.3.2015, 10:11 Uhr
Landwirt Ernst Fuchs (hier mit Moderator Tilmann Schöberl) darf auf die persönliche Hilfe seines Ministers Helmut Brunner zählen.

© Porta Landwirt Ernst Fuchs (hier mit Moderator Tilmann Schöberl) darf auf die persönliche Hilfe seines Ministers Helmut Brunner zählen.

Um 20.13 Uhr steigt die Spannung bei den rund 150 Gästen in der Halle: Während aus dem Off die Abspannmelodie von "Dahoam is dahoam" erklingt, geht Tilmann Schöberl ein letztes Mal seine Moderationskarten durch und schon legt der smarte Moderator - begleitet von einem kleinen Filmeinspieler - den Zuschauern vor den Fernsehgeräten das "ganz, ganz tolle" Hersbruck mit seiner schönen Altstadt und der Fackelmann Therme ans Herz, in dem "Sie Rad fahren, wandern und großartiges Schäufele essen können."

Erster am Bürgermikrofon ist Bernd Lindner, der die geplante Kletterhalle der DAV-Sektion Hersbruck vorstellt. Das knapp eine Million Euro teure Vorhaben soll nicht nur dem Verein nützen, sondern auch Schulen und sozialen Einrichtungen. Knackpunkt dabei: die Finanzen - ohne Leaderförderung von rund 400.000 Euro ist die "Halle für alle" nicht zu realisieren.

Dafür gebe es klare EU-rechtliche Vorgaben, antwortet Bayerns Landwirtschaftsminister Helmut Brunner. Aus wettbewerbsrechtlichen Gründen dürfen Kletterhallen mit maximal 200 000 Euro bezuschusst werden. "Ich gebe ihnen aber einen guten Rat: Wenn es gelänge, aus diesem Projekt zwei zu machen, könnten wir auch mit zweimal 200 000 Euro fördern."

Nächstes Thema ist die seit 2010 ständig schlechter werdende finanzielle Situation der privaten Montessori-Schule in Lauf und deren Schwierigkeiten, geeignete (und erlaubte) Lehrkräfte zu finden. "Wir haben uns auf die Förderung verlassen und haben jetzt keine Lobby mehr", klagt "Monte"-Verwaltungsrat Uwe Dietz. Kultusstaatssekretär Bernd Sibler vertröstet ihn mit der Aussicht, dass sich die Lehrersituation in absehbarer Zeit bessern werde, wenn dank einer Qualifizierungsmaßnahme auch Gymnasial- und Realschullehrer an der Mittelschule einsetzbar seien. In puncto Finanzen gehöre die "Monte" seit der 2010 in Absprache mit allen Trägern eingeführten Pauschalierung mit ihren bis 2018 weiter steigenden Zuschüssen ohnehin zu den Gewinnern.

10H-Regelung polarisiert

Ebenso sichtbar unzufrieden mit der Replik auf ihr Anliegen sind wenig später Adolf Munzinger und Horst Arndt-Henning vom Klimaclub. "Wir sind frustriert und zornig darüber, dass die Politik die Dynamik der Energiewende im vergangenen Jahr abgewürgt hat", so Munzinger - nicht zuletzt durch die von Ministerpräsident Horst Seehofer eingebrachte 10H-Regelung, die bei Windrädern einen Mindestabstand der zehnfachen Höhe zur Wohnbebauung vorschreibt. Hersbruck habe deshalb fast zwei Jahre Planung und einen sechsstelligen Betrag in den Wind schreiben müssen, ergänzt Bürgermeister Robert Ilg.

"10H ist kein Rückschritt und kein Stopp", kontert Gerhard Eck, Staatssekretär im Bayerischen Innenministerium. Zumal die Regierung den Kommunen über die Bauleitplanung "im Dialog mit den Bürgern" die Möglichkeit zum Bau weiterer Anlagen gegeben habe. Aber, so Eck: "In den fränkischen Regierungsbezirken stehen 520 bis 530 Windräder, in den restlichen 240. Alleine können wir in Franken die Energiewende auch nicht stemmen."

Mehr Erfolg hat Landwirt Ernst Fuchs aus Engelthal, der seit Jahren mit der Flurbereinigung hadert, bei der er einen Acker gegen eine Wiese tauschen sollte. Nun hat er ein zwölf Meter breites und 170 Meter langes Areal, das er kaum bewirtschaften kann. Brunner versprach, dass sich der Spruchausschuss spätestens im Mai mit diesem Problem befasse und Fuchs dabei eigene Vorschläge einbringen dürfe, bei "denen ich Sie gerne unterstütze"

Drängen auf neue Sozialarbeiter

Hoffen darf auch Sozialarbeiter Norbert Ploss. Mit seinen zwei Kolleginnen kümmert er sich um 830 über den ganzen Landkreis verteilte Flüchtlinge - da bleibt kaum Zeit für die vielfältigen Sorgen jedes Einzelnen. Wie auch Angela Henke, Vorsitzende des Kreiscaritasverbands, drängt er deshalb auf dringend benötigte Verstärkung - mit einem festen Zuschuss finanziert und am besten schon im "Vorgriff", also bevor neue Asylbewerber ankommen und nicht wie bisher erst ein halbes Jahr später.

Eine "Rückmeldung, die mich schockiert", sagt Markus Gruber, Leiter der Stabsstelle Asyl, Integration und Zuwanderung im Sozialministerium. Eine Lösung gelinge aber nur, wenn "alle Beteiligten zusammenarbeiten" - neben dem Ministerium also auch die für die Asylsozialarbeit zuständigen Wohlfahrtsverbände. Derzeit liefen Gespräche, um die Förderung zu beschleunigen und sie nach Möglichkeit schon im Vorfeld zu gewähren.

Schnell geht es bei Ingrid Pflaum vom Hirtenmuseum und Uli Olpp vom Kunstmuseum: Sie hätten in der Landesstelle für nichtstaatliche Museen beziehungsweise der Internet-Plattform Bavarikon potente Mitstreiter für ihren Wunsch, die umfangreichen Archive zu digitalisieren und online zugänglich zu machen, versichert Sibler.

"Ich nehme das Thema mit", verspricht Eck, als "Jetz red i" nicht mehr über den Bildschirm flimmert und nur noch als Livestream im Internet läuft, auf die Nachfrage von Hersbrucks Behindertenbeauftragter Marlies Wolter, wann endlich auch der rechte Bahnhof barrierefrei ausgebaut wird. Im rund 60 Millionen Euro schweren, von 2016 bis 2019 laufenden "Bayernpakt" sei dieser Umbau noch nicht berücksichtigt, er stehe aber auf der Liste der Projekte, die im Anschluss angegangen werden sollen.

Standards werden nicht geopfert

In Geduld üben muss sich auch Christian Stingl, Elternbeiratsvorsitzender der Grete-Schickedanz-Grundschule. Er kritisiert, dass es Freitags keine Ganztagsbetreuung gibt und berufstätige Eltern auch in den Ferien allein gelassen werden, weil das die finanziellen Ressourcen der Stadt nicht hergeben. Verbesserung brächte hier ein jüngst zwischen Regierung und kommunalen Spitzenverbänden ausgehandeltes flexibleres Förderprogramm, von dem ab Sommer zunächst 300 Gruppen profitieren und ab 2016 jährlich 1000 weitere, so Sibler.

Und auch das umstrittene Freihandelsabkommen TTIP kommt noch zu seinem Recht: "Ich werde hellhörig", sagt Biobauer Uwe Neukamm aus Vorderhaslach, "wenn dadurch Großstrukturen gestärkt werden, obwohl die bayerische Landwirtschaft sehr kleingliedrig ist". Am gewohnten Landschaftsbild werde sich nichts ändern, gibt Minister Brunner Altbekanntes zurück, "wir haben rote Linien bei der Gentechnik, regionalen Produkten oder in Sachen leistungsfördernde Hormone eingezogen. Diese Standards werden wir nicht opfern".

Eine Auskunft, die der vom BR eingeladene und eigens aus München angereiste Richard Mergner, Landesbeauftragter des Bund Naturschutz, gerne kommentiert hätte. Das Wort erteilte ihm Tilmann Schöberl indes nicht mehr.

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