Kabarettist Andy Sauerwein präsentierte sein Programm

20.4.2016, 14:23 Uhr
Kabarettist Andy Sauerwein präsentierte sein Programm

© Krätzer

Ein mutiges Unterfangen von den Veranstaltern, der Feuchter Bildungsinitiative, die damit einem noch weitgehend unbekannten, jungen Künstler eine Plattform boten.

Kennen Sie Andy Sauerwein? Genauso ging es den rund 60 Besuchern, die sich für sein Programm "Reparieren lohnt nicht" entschieden hatten. Mit diesem trat der Kabarettist erstmals in Feucht, im Nebenraum der Reichswaldhalle auf. Ein mutiges Unterfangen von den Veranstaltern, der Feuchter Bildungsinitiative, die damit einem noch weitgehend unbekannten, jungen Künstler eine Plattform boten.

Er mache Kabarett mit Musik oder Musik mit Kabarett, stellte sich der junge Mann aus Würzburg vor und dass es seiner Familie lieber sei, wenn er nicht in der Nähe auftrete – es könnte ihn ja jemand kennen und sein Programm Scheiße finden. Diese Gefahr bestand in Feucht nicht, obwohl Sauerwein nach "Sitzpinkler" und "Endlich pleite" bereits mit seinem dritten Programm die Kleinkunstbühnen betritt. Teils hoch gelobt, fielen die Resonanzen bis jetzt aus. Die Presse schrieb unter anderem von "unverschämt charmant", wenn Sauerwein Geschichten aus seinem Leben erzählt oder sich zu seinen Liedern am Keyboard begleitet.

"Ich will ein Enkelkind von dir"

In der Reichswaldhalle hatte der Kabarett-Newcomer allerdings anfangs etwas zu kämpfen, manche Pointe verpuffte, die auf jüngeres Publikum gemünzt war. Da half auch ein zweiter, "fürs Handy" nachgestellter Auftritt mit begeistertem Beifall und Evis (Gast) Ausruf: "Ich will ein Enkelkind von dir" nur bedingt als Schmiermittel. Doch ab dem ersten Lied – einem Votum für das einfache, ganz normale Spazierengehen ohne Hiken, Biken und Walken – nahm das Programm so langsam Fahrt auf.

Aktuelles Thema: die Panama Papiere und Prominente wie Franz Beckenbauer und Lionel Messi. Beide bräuchten Bodyguards, so Sauerwein, die sie vor sich selbst schützten, denn sie würden ansonsten alles ungelesen unterschreiben. Aber Panama hätte ja schon viel früher im Mittelpunkt gestanden – bei Janoschs Kindergeschichte vom kleinen Bär und dem Tiger ("Oh wie schön ist Panama"). "Was wusste Janosch? Diese Frage muss man sich heute stellen."

"Den esse ich später"

Sauerwein verstreut eine bunte Mischung, ist mal trivial, komisch oder kritisch, ernst. Dazu kombiniert er vieles aus seiner Autobiografie, beispielsweise seine Kindheit und Jugend zwischen Sulzbach am Main und Aschaffenburg – gelegentlich hört man etwas Hessisch heraus. Oder das Geständnis vor versammelter Familie, dass er Veganer sei. An sich kein großes Thema, aber in Form eines „Coming out“ ergibt sich dabei viel Situationskomik. Sie baut er kräftig aus, beispielsweise wenn er einen Geburtstagsstrauß mit "den esse ich später" zur Seite stellt.

Er hätte alles werden können, erzählt der Mainfranke, und dass er rechtzeitig vom Lehramtsstudium (Germanistik und Geschichte) abgesprungen sei. Ob man von Kabarett leben kann – diese und ähnlich Fragen zum Leben eines Kabarettisten sind allerdings inzwischen derart abgelutscht, dass er das schleunigst streichen sollte.

Klasse am Keyboard

Klasse wird’s, wenn er am Keyboard in die Tasten greift. Rock- und Jazzrhythmen und -Einspielungen, teils in Endlosschleife wiederholt, dazu gute Texte – das macht Spaß. Sehr vielseitig arrangiert er seine Lieder. Eines, in dem er sich über das Fernsehprogramm mokiert ("RTL Casting Show") erinnert etwas an die früheren Liedermacher. Hierhin gehört auch "Reparieren lohnt nicht", bei dem Sauerwein von Sollbruchstellen bis Recycling und Wiederverwertung, von Entsorgung in Afrika bis zum arbeitslosen Flüchtling alles hineinpackt.

Ist das der Fortschritt, fragt er, wenn eine Glühbirne über 100 Jahre brennt, die aufzeichnende Webcam aber innerhalb von zehn Jahren bereits dreimal ausgetauscht werden musste? Gangsta-Rap und Reformhaus – das passt so gut wie gar nicht zusammen.

Doch Sauerwein mutiert hier urkomisch zum Macho-Salateinkäufer mit Kapuze, der Schnittlauch über die Klinge springen lässt, Kopfsalat enthauptet und Tomaten häutet – ohne sich abzuwenden.

Viel Beifall für einen jungen Kabarettisten, den man jetzt in Feucht kennt und den man im Auge behalten sollte.

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