Kevin Kenner beeindruckte beim Privatmusikverein

15.5.2015, 15:33 Uhr
Kevin Kenner begeisterte seine Zuhörer.

© colourbox.com Kevin Kenner begeisterte seine Zuhörer.

Darauf musste man in der Kleinen Meistersingerhalle allerdings bis nach der Pause warten. Franz Schuberts „Moments musicaux“ op. 94 waren aber eine exakt passende Hinführung zur Doppelbödigkeit von Chopins Balladen oder Barcarolen: Miniaturen mit weiten Gefühlshorizonten. Was man dabei schnell merkte: diesem blassen, bescheidenen und eher introvertiert auftretenden Pianisten aus Kalifornien stehen gerade solche subtilen, ohne viel Aufwand zu Herzen gehenden „Moments“ gut zu Gesicht.

Er spielt sie durchweg in einer genau durchdachten Phrasierung und wirkungsvollen dramaturgischen Gliederung, die der Entwicklung verschiedener Gefühlsebenen reichlich Raum lässt. Das verschaffte dem Hörer durchaus beglückende Augenblicke authentischen Schubertspiels. Auch in Schuberts „Wanderer-Fantasie“ gelingt ihm eine schöne Abstufung der Klangwerte, ohne dass die großen, auftrumpfenden Sturm-und-Drang-Gipfel an Wirkung einbüßen würden. Da war es kein Wunder, dass das Publikum sich unbeeindruckt von ein paar wenigen Unsicherheiten schnell warm geklatscht hatte.

Für die vier Chopin-Stücke dimmte Kenner die intime Salon-Klang-Beleuchtung passend herunter, nach dem auftrumpfenden Beginn des Polonaise-Teils von op. 22 übernimmt eine hinreißend tänzerische Poesie immer wieder das Regiment. Die „Barcarolle“ op. 60 kommt ohne jede Anwandlung von Kitsch aus, die bekannte Polonaise op. 53 spielt ihren triumphalen Gestus erst bei den Wiederholungen des Themas aus. Der Mann, der im Straßenanzug hereinkommt, als würde er im Büro gleich den Computer hochfahren, verwandelt sich am Steinway in einen hochgradig poetisch, sensiblen Pianisten und Romantiker.

Und den eigentlich versprochenen Paderewski gab es schließlich doch noch: als in Arpeggien aufrauschende Zugabe. Kenners Konzert war ein unerwarteter Höhepunkt am Ende der Saison.

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