Klare Linien im Stall von Bethlehem

23.12.2015, 16:00 Uhr
Klare Linien im Stall von Bethlehem

© Hans-Joachim Winckler

Wie ist es um die Schnitzkunst bestellt, Herr Schubert?

Kurt Schubert: Nicht besonders gut, die Nachfrage wird geringer. In Oberammergau, dem Zentrum der Holzbildhauer in Deutschland, gibt es ungefähr 120 bis 150 Kollegen. Im vergangenen Jahr haben dort 20 Betriebe aufgehört. Dem Weihnachtsumsatz kommt deshalb enorme Bedeutung zu, wenn der wegbricht, können die Geschäfte zusperren.

 

Wo liegen dafür die Gründe?

Schubert: Wenn Sie Dinge aus Glas oder Porzellan besitzen und Ihnen diese vom Tisch oder aus der Hand fallen, sind sie zu 90 Prozent kaputt und müssen ersetzt werden. Bei Kunstwerken oder Gebrauchsgegenständen aus Ahorn-, Linden- oder Zirbelkiefernholz ist es genau umgekehrt. Da bricht höchstens einmal etwas ab, und das kann man reparieren.

 

Und drei oder vier Krippen hat in der Regel auch niemand zu Hause.

Schubert: Sagen Sie das nicht. Es gibt durchaus Menschen, die beispielsweise eine Barock-Krippe, aber auch eine südamerikanische Variante daheim haben. Eine Kundin von mir besitzt eine knapp 15 Quadratmeter große Krippenlandschaft mit etwa 400 Figuren, die ein ganzes Zimmer einnimmt. Da gibt es dann Kameltreiber oder Trommler, die auf Elefanten daherkommen – da können sich die Leute richtig austoben.

 

Sind Holzfiguren nicht auch etwas aus der Mode gekommen?

Schubert: Trends gab es immer wieder, ich denke da nur die Clown-Phase. Aber auffällig ist: Mönche oder Nachtwächter lassen sich so gut wie überhaupt nicht mehr verkaufen. Auch Madonnen und Christusfiguren sind rückläufig, da machen sich Dinge wie der Missbrauchs-Skandal bemerkbar. Die Distanz der Menschen zur Institution Kirche ist größer geworden.

 

Wer kauft Krippen?

Schubert: Das ist ganz unterschiedlich. Das sind etwa junge Ehepaare, die sich das als Hochzeitsgeschenk gönnen. Oma und Opa, die ihren Enkeln ein Geschenk machen oder auch ältere Menschen, die früher als Kinder daheim eine Krippe hatten und jetzt wieder eine möchten.

 

Wie sieht der Trend im Stall von Bethlehem derzeit aus?

Schubert: Die Barock-Krippe mit Figuren in üppig fallenden Gewändern ist immer noch beliebt oder bäuerliche Versionen, die in die jeweilige Heimatregion verlegt werden. Da trägt Josef dann eine Schürze, außerdem bevölkern Bauern mit Dreschflegeln und Milchkannen die Szenerie. Aktuell liegen klar geschnitzte, wenig verspielte Figuren im Trend. Wichtig sind den Kunden auch Ausdruck, Körperhaltung und Farbe. 90 Prozent der Krippen-Ensemble sind koloriert, früher war das genau umgekehrt.

 

Was muss man für die Basis-Krippe investieren?

Schubert: Das hängt von verschiedenen Faktoren ab. Bei uns gibt es Krippenfiguren ab vier Zentimeter, zehn bis zwölf sind die gängige Größe. Gehen wir einmal von der Heiligen Familie aus mit Maria, Josef und dem Jesus-Kind: In der holzgeschnitzten Variante, das heißt die Figur wird aus Hartholz maschinell gefräst, liegt man bei 80 Euro. In der handgeschnitzten Version, dabei werden die Rohlinge manuell komplett überarbeitet, sind es knapp 160 Euro. Unikate, die samt Entwurf aus einem Stück Holz geschnitzt werden, liegen bei 500 Euro. Für die Grundausstattung, bei der außerdem noch die Heiligen Drei Könige, Ochs, Esel, zwei Hirten, Schafe und der Glorien-Engel dabei sind, insgesamt 15-teilig, muss man zwischen 250 und 800 Euro rechnen. Das reicht auch, alles andere ist Spielerei.

 

Wie sind Sie zur Holzschnitzerei gekommen?

Schubert: Das Werken hatte es mir schon als Kind angetan. Eigentlich wollte ich nach dem Fachabitur Architektur studieren. Aber nach einem schweren Motorradunfall 1973 war ich insgesamt fünfeinhalb Jahre im Krankenhaus beziehungsweise daheim. Um nicht depressiv zu werden, habe ich mich am Schnitzen versucht. Über meinen Bruder bekam ich Kontakt zu einem damals in Langzenn lebenden Holzbildhauer aus Oberammergau. Ich durfte ihn bei der Arbeit beobachten, er hat mich über die Schultern schauen und „mit den Augen stehlen lassen“. Das handhabe ich auch mit den Teilnehmern meiner vhs-Kurse so. Auch zu einem Holzschnitzer aus dem Grödner Tal in Südtirol hatte ich guten Kontakt und ich habe mich so – das hoffe ich – weiter entwickelt.

 

Sind Sie nun mehr Handwerker oder Künstler?

Schubert: Ich würde sagen, ich bin Kunsthandwerker, zumindest fühle ich mich so.

Kurt Schuberts Ausstellung ist täglich von 15 bis 18 Uhr oder nach telefonischer Vereinbarung geöffnet. Talblick 10, Wilhermsdorf. Kontakt: Tel. (0 91 02) 23 28 oder per Mail: schnitzfiguren-schubert@web.de

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