Kostbarkeiten im Museum "Urzeitbahnhof"

12.10.2011, 18:03 Uhr
Kostbarkeiten im Museum

Was da in der kleinen Vitrine im Fotogesicht eines etwas finster dreinblickenden Bartträgers steckt, ist ein Schatz. Es ist der Abguss des Backenzahns eines Neandertalers — und dabei der älteste Menschenrest, den man je in Bayern gefunden hat. Eine Kostbarkeit, nicht nur für Kreisheimatpfleger Sörgel. So kostbar, dass das Original sicher in einem Safe verwahrt wird und mit einer siebenstelligen Summe versichert ist, wie Sörgel sagt.

Die kleine Vitrine steht nicht etwa in einem beeindruckendem Museumsbau in München, Berlin oder Stuttgart. In dem kleinen Ort Hartmannshof (Kreis Nürnberger Land) wird der Schatz in einem besonders feinen Museum gezeigt.

Der „Urzeitbahnhof“ ist gleichsam eine Schatzkiste der Ur- und Frühgeschichte direkt an den Bahngleisen. In dem alten und denkmalgeschützten Bahnhofsgebäude wurde in den vergangenen drei Jahren ein kleines Juwel für die Besucher geschaffen. Dennoch ist Kreisheimatpfleger Werner Sörgel weniger stolz denn „einfach nur froh, dass wir es geschafft haben “, wie der 67-Jährige sagt.

Und so kann man künftig auf zwei Stockwerken auf eine Zeitreise gehen, die im Eiszeitalter beginnt und dabei für viel Staunen sorgt: Unglaublich, dass in dieser Gegend einst Waldnashörner, Höhlenbären oder Höhlenlöwen durch die Wälder strichen, während Neandertaler aus Hirschgeweihen Werkzeuge schnitzten. „Durch die Geweihe in der Höhle kann man viel auf das Leben der Neandertaler schließen“, erklärt Sörgel.

Gefunden wurden all die Kostbarkeiten in einer Höhlenruine von Hunas im Jahr 1956 vom Erlanger Professor Florian Heller. Seitdem wurden 140 verschiedene Tierarten nachgewiesen. Immer wieder gruben Archäologen und Studenten der Uni Erlangen — bis in dieses Jahr hinein.

Sie fanden Reste von Eulen und Füchsen, Hyänen und Pferden, Pollen und Pflanzen. Und den Zahn. Die Grabungen sind abgeschlossen und der wissenschaftliche Stand scheint geklärt. „Das heißt natürlich nicht, dass dort auch wirklich alles gehoben wurde“, sagt Kurt Tausendpfund.

Er ist nicht nur Bahnhofseigentümer, Vorsitzender des Museums-Trägerfördervereins „Hunas – Archiv des Eiszeitalters e.V.“, sondern auch der Eigentümer des Landes, auf dem die Höhlenruine einst entdeckt wurde.

 Seit 150 Jahren ist seine Familie am Ort mit der Sebald Zement GmbH im Zementgewerbe tätig, seit Jahren auch als Lieferant von Naturdüngemitteln. „Wir haben beim Abbau immer auf die Grabungen Rücksicht genommen“, sagt Kurt Tausendpfund, der stolz darauf ist, dass solche Funde aus der Region stammen und deren Erhalt gerne unterstützt.

Kostbarkeiten im Museum


Dass diese in so gutem Zustand sind, erklärt sich Kreisheimatpfleger Werner Sörgel auch damit, dass die Höhlenruine irgendwann eingestürzt war und ihr durch die Erdmassen der Sauerstoff entzogen wurde. Wie alt die Funde sind, bleibt eine knifflige Angelegenheit. „Am untersten Boden schätzt man die Funde in der einen Ecke auf etwa 270000 Jahre, an der anderen Ecke auf 80000 bis 110000 Jahre“, sagt er.

Der Zahn des Neandertalers ist etwa 60000 Jahre alt. Doch nicht nur wegen des Alters sind die Funde kleine Sensationen. „Die Reste von Holzkohle, Pollen und Pflanzen zeigen uns, dass es mehrfach einen Klimawandel gab“, sagt Werner Sörgel, der eigentlich Zimmermeister ist. Doch bereits seit Jahrzehnten beschäftigt sich der 67-Jährige mit Geschichte. Er hat zwei Bücher über versunkene Kulturen in der Region geschrieben und ist bis heute ein leidenschaftlicher Hobby-Archäologe.

Und so sind im Dachgeschoss des neuen Museums auch ungezählte Exponate zu sehen, die Sörgel mit seiner Frau Edith entdeckt und gehoben hat. Scherben, Pfeilspitzen, Knochen oder kunstvoll gefertigte Gewandnadeln setzen die Geschichte aus dem ersten Stock mit dem Ende der Altsteinzeit fort. Fundstücke von etwa 500 Stellen, die „aus beinahe allen Perioden der Vor- und Frühgeschichte stammen“, wie Werner Sörgel mit Stolz berichtet.

„Und das auf einer Fläche von gerade mal fünf Kilometern.“ Man muss also gar nicht immer so weit reisen, um historische Attraktionen zu erreichen. Die liegen zuweilen direkt an einer Bahnstation — freilich gehoben und zusammengetragen in mühevoller Kleinstarbeit von Archäologen und „Überzeugungstätern“ wie Werner Sörgel.

Museum „Urzeitbahnhof“. Die Station Hartmannshof ist Halt des Pendolino und Endstation der S-Bahnlinie 1. Das Museum, welches unter anderem durch EU-Gelder, den Bezirk Mittelfranken, den Kulturfonds Bayern, andere Institutionen sowie private Spender möglich gemacht wurde, ist Dienstag bis Samstag jeweils von 13:30 Uhr bis 16:30 Uhr und Sonntags von 10:00 Uhr bis 12:00 Uhr sowie von 13.30 Uhr bis 16:30 Uhr geöffnet.

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