Galeriehaus Defet: Von Irrtümern und anderen Katastrophen

2.10.2016, 17:30 Uhr
Galeriehaus Defet: Von Irrtümern und anderen Katastrophen

© Fotos: Horst Linke

Galeriehaus Defet: Von Irrtümern und anderen Katastrophen

Eine ganz eigenwillige, düster-romantische Stimmung verbreiten die Arbeiten von Martin Werthmann im Ausstellungsraum des Instituts für moderne Kunst. Unter dem poetischen Titel „Anhaltender Regen“ präsentiert der Künstler, Jahrgang 1982, eine komplexe Installation, bestehend aus riesigen, prachtvoll farbschillernden Holzschnitten, einem dramatischen Videofilm und einer sogenannten „Atem-Diamant-Maschine“.

Die auf den ersten Blick schöne abstrakte Muster bildendenden Oberflächenstrukturen der Holzschnitte veranschaulichen tatsächlich die mögliche Schönheit des Schrecklichen. Denn die Motiv-Vorlagen für Werthmanns mosaikartige Großdrucke sind vor allem alltäglich in aller Welt entstehende Pressefotos von Gewalttaten, Unfällen und Katastrophen.

Von der wundersamen Meisterung einer höchst gefahrvollen Extrem-Situation erzählt hingegen die Video-Dokumentation der Inbetriebnahme einer begehbaren Wasserwirbel-Plastik, die Martin Werthmann 2012 gebaut hat. Den in einer transparenten Röhre im Inneren des Kunstwerkes stehenden Betrachter umwirbeln auf engstem Raum fünfzehntausend Liter Wasser.

Ein witziger künstlerischer Verweis auf die menschliche Fähigkeit, jede natürliche Notwendigkeit gewinnbringend zu nutzen, ist die von Michael Werthmann vorgeblich nach exakten wissenschaftlichen Berechnungen konstruierte Maschine zur Herstellung von Diamanten aus dem Kohlendioxid, das in unserer Atemluft enthalten ist.

Eine berühmte naturwissenschaftliche Richtigstellung inspirierte den Maler und Zeichner Gerhard Mayer zu einer künstlerischen Methode, deren vielfältige Anwendbarkeit er mit seiner Ausstellung „Keplers Irrtum“ in der Oechsner Galerie beweist. Wie der Astronom Johannes Kepler (1571–1630) hat nämlich auch Mayer nach längerem Experimentieren erkannt, dass sich die Welt nicht in der Idealform des Kreises, sondern auf elliptischen Bahnen bewegt. Seither gibt es in seiner Kunst keine durchlaufend geraden Linien mehr, keine vollen Rundungen, sondern ausschließlich sanfte Krümmungen, die sich allesamt zu geschlossenen ebenen Kurven ergänzen ließen.

Alle bei Oechsner gezeigten Arbeiten sind aus verschieden bemessenen Teilstücken jener Grundform zusammengesetzt. Mithilfe elliptischer Schablonen gestaltet der Künstler nicht nur wunderbar dynamische Abstraktionen, sondern auch Neuinterpretationen von figürlichen Schlüsselwerken der Malerei-Geschichte. In allen Fällen erweisen sich die „Elliptical Painting“-Variationen als äußerst effektvoll.

Pinselwischer

So werden zum Beispiel die harten, klaren Umrisse einer „Judith mit dem Haupt des Holofernes“ von Lukas Cranach in Mayers Fassung vielfach gebrochen, während andererseits die expressiven Pinselwischer, mit denen Willem de Kooning in den 1950er Jahren eine Frauengestalt andeutete, durch Mayers Methode seltsam verfestigt und verkörperlicht erscheinen. Besonders krass ist Mayers Verfremdung einer spätgotischen Madonnen-Darstellung. Die gesamte Bildvorlage wurde schematisiert und reduziert auf ein Konstrukt aus farbigen Kraftlinien, die in sich tonal abgestuft sind, um auch ohne Modellierung im herkömmlichen Sinn den Eindruck von Volumen zu erzeugen. Grandios.

Institut für moderne Kunst im Galeriehaus Defet, Gustav-Adolf-Str. 33: Martin Werthmann: „Anhaltender Regen“. Bis 5. Nov., Mi.–Fr. 14–18, Sa. 11–15 Uhr.

Oechsner Galerie im Galeriehaus Defet: Gerhard Mayer: „Keplers Irrtum“. Bis 5. Nov., Mi.–Fr. 11–18, Sa. 11–15 Uhr.

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