Alpiner Lebemann im E-Werk: Faber sorgt für Gänsehaut

21.2.2018, 17:01 Uhr
"Ihr habt meinen Segen/ aber bitte erwartet euch nicht zuviel von euerm Leben", singt Faber mit dunkler Raucherstimme wie ein cooler französischer Chansonnier.

© Stefan Mößler-Rademacher "Ihr habt meinen Segen/ aber bitte erwartet euch nicht zuviel von euerm Leben", singt Faber mit dunkler Raucherstimme wie ein cooler französischer Chansonnier.

Lange sah es so aus, als würde der deutschsprachige Pop von einer Riege junger Friede-Freude-Eierkuchen-Sänger wie Tim Bendzko, Pilipp Poisel oder Joris zu Tode gekuschelt werden: No Sex, no Drugs, no Rock'n'Roll, die interessanten einheimischen Bands agierten, von Ausnahmen abgesehen, im Untergrund. Dass die Erlösung ausgerechnet aus den sonst eher konservativen Alpenländern kommt, mag eine Ironie der Geschichte sein, aber wen sollte das stören: Während die Wiener Wanda unbeirrbar damit beschäftigt sind, sich "Amore!" grölend zu Tode zu saufen, steht mit Faber schon der nächste alpine Lebemann bereit.

Dabei hat der junge Schweizer ein musikalisch weit ausgeklügelteres Konzept am Start: Sein Konzert im rappelvollen Erlanger E-Werk beginnt er alleine mit akustischer Gitarre, stimmungsvoll von hinten beleuchtet, und klingt mit seiner dunklen Raucherstimme wie ein cooler französischer Chansonnier: "Ihr habt meinen Segen/ aber bitte erwartet euch nicht zuviel von euerm Leben". Das mag für einen noch nicht mal 25-jährigen altklug klingen, doch die Pose des abgeklärten, weltverdrossen-zynischen Bohème-Dichters haben von Arthur Rimbaud bis Jim Morrison ja schon viele vor ihm eingenommen – und sie steht auch Julian Pollina, alias Faber, ganz ausgezeichnet.

Rumpeliger Charme

Als Sohn des schweizer-italienischen Cantautores Pippo Pollina jongliert er ähnlich virtuos mit Worten und Melodien wie der Vater, aber von dessen geschmackvollem, bürgerlichem Rotwein-Trinker-Duktus will er sich spürbar abgrenzen. Sowie seine "Goran Koc y Vocalist Orkestar Band" die Bühne stürmt, gewinnt die Musik einen schrägen, rumpeligen Charme, der hervorragend zu Fabers kraftvoll-deftiger Poesie passt.

Gitarrist und Schlagwerker Tillmann Ostendarp, Bassist Janos Mijnssen, Gitarrist Max Kämmerling (den Faber später ohne mit der Wimper zu zucken als "Max Giesinger" vorstellt) und Keyboarder Silvan Koch spielen mit ungestümer Chupze einen lebenshungrigen Balkan-Folkrock, der auch mal Anleihen an Hotjazz oder Italo-Schmalz nimmt und inmitten des mit schummrigen Lichtquellen und Spiegeln schön gestalteten Bühnenbildes eine schwärmerisch-trunkene Atmosphäre entwickelt.

Das textsichere Publikum lässt sich mitreißen von diesem musikalischen Vollrausch und seiner Absage an die neue Spießigkeit: Als Faber das Publikum auf der Balustrade aus einer anarchischen Laune heraus auffordert, ins Auditorium zu springen, steigt eine junge Frau tatsächlich übers Geländer und lässt sich fallen – und wird zum Glück von starken Junge-Männer-Armen aufgefangen. Hätte auch schiefgehen können, aber, um mit Gerhard Polt zu sprechen: Das Minimum, was man von der Jugend erwarten kann, ist, dass sie Unfug anstellt. Ab da gibt es kein Halten mehr. Als Faber als verschmähter Liebhaber seiner Ex hinterherruft "Warum, du Nutte, träumst du nicht von mir?", stimmen Frauen genauso ein wie Männer.

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