Am Sonntag im TV: So gut ist der neue Franken-Tatort

13.4.2018, 18:27 Uhr
Am Sonntag im TV: So gut ist der neue Franken-Tatort

© Foto: Luis Zeno Kuhn, BR

Hauptkommissar Felix Voss (Fabian Hinrichs), der seinen Wohnsitz nach Nürnberg verlegt hat, feiert mit vielen Gästen die Einweihungsparty. Dass dabei ein Song von Patti Smith aus dem Jahr 1978 läuft, festigt das Bild dieses leicht kauzigen Charakters, der oft wirkt, wie etwas aus der Zeit gefallen. Vielleicht fühlt er sich ja deshalb so heimisch in Franken ... 

Aber auch die Macher des vom Bayerischen Rundfunk (BR) produzierten "Tatort" sind warm geworden mit der Region – und das bedeutet in erster Linie: Franken nicht auszustellen wie ein Puppenhaus der Provinz. Selbst Matthias Egersdörfer wird nicht mehr als lokale Karikatur inszeniert, sondern agiert in seiner Rolle als Leiter der Spurensicherung einfach aus der Situation heraus; bewegt sich also überwiegend unauffällig im Hintergrund.

Eli Wasserscheid als sexuelle Freibeuterin

Kommissarin Wanda Goldwasser (Eli Wasserscheid) wiederum nimmt den Text der Patti-Smith-Nummer – "Because the Night is made for Lovers" wörtlich; schließlich ist ihre Figur als sexuelle Freibeuterin angelegt, während Voss und seine Kollegin Paula Ringelhahn (Dagmar Manzel) emotional wie erotisch eher undefiniert durch die Geschichten mäandern; darin liegt unbedingt ein Reiz dieses Duos.

Mit der Partystimmung ist dann aber schnell Schluss. Im Nürnberger Umland ist in einem leerstehenden Haus ein älteres Geschwisterpaar tot aufgefunden worden – mit einem Eisenrohr so brutal erschlagen, dass die Ermittler über Blutlachen steigen müssen. Die Toten, ein Mann und eine Frau, stammen aus Libyen, leben aber seit vielen Jahren in Deutschland.

Ihr Ziehsohn, hochbegabter Student an der Uni Erlangen und ebenfalls arabischer Herkunft, gilt seit der Bluttat als vermisst. Später kommt noch der Unfalltod eines Kriminalbeamten (André Hennicke) hinzu, der unter dem Einfluss von Psychopharmaka mit dem Auto von der Straße abgekommen ist. Das ist vor allem für Paula Ringelhahn ein Schock . . .

Aufflammen alter und neuer Extremismusformen

Bald zeichnet sich ab, dass man es nicht mit einer Familientragödie zu tun hat, und dass das Geschehen weit über Franken hinausweist. "Ich töte niemand" wagt sich an das hochaktuelle, gesamtdeutsche Bild einer Gesellschaft, die sich alten und neuen Formen von Extremismus ausgesetzt sieht; lange ins Abseits gerückte Begriffe wie Ehre und Stolz werden dabei auf beiden Seiten für gefährliche Ideologien und brutale Gewaltakte instrumentalisiert.

Dass diese "Tatort"-Folge dabei den Stolperfallen der politischen Korrektheit ausweicht, macht ihn zu einer beunruhigenden Zustandsbeschreibung zumindest ansatzweise bereits herrschender Verhältnisse.

Der Tag, an dem die Puzzleteile entstanden: Hier fällt die erste Klappe für "Ich töte niemand".

Der Tag, an dem die Puzzleteile entstanden: Hier fällt die erste Klappe für "Ich töte niemand". © Stephanie Heckner/BR

Entscheidenden Anteil daran hat neben der Regie von Max Färberböck das Drehbuch, das er wieder zusammen mit Catharina Schuchmann geschrieben hat. Erzählt wird in zunächst zusammenhanglosen Versatzstücken, die sich nur langsam zu einem Bild fügen.

Der Zuschauer ist dabei den lange Zeit ratlosen Ermittlern um wesentliche Puzzleteile voraus; doch hilft ihm das beim Versuch, sie zu deuten, keineswegs. Dadurch verheddert er sich bis zum Schluss im Spannungsdickicht. Das macht einen guten Krimi aus, hat aber mittlerweile Seltenheitswert.

Beklemmendes Szenario

Mit Unschärfen und suggestiven Bildern, die er an den Rändern oft eindunkelt, gibt auch der unübersehbar Leinwand erprobte Kameramann Felix Cramer immer nur einen Teil des Geschehens zur Betrachtung frei; dieses Stilmittel wird mit Sicherheit nicht allen gefallen, doch macht es das stetig näher zum Abgrund driftende Szenario noch beklemmender. Das gilt auch für die Musik von Richard Ruzicka, die sich bald minimalistisch kühl, bald schwer wie Tropfen aus geschmolzenem Blei auf die Handlung senkt.

Von Franken ist nicht viel mehr zu sehen als der dazugehörige Schnellweg. Dafür ist dieser "Tatort" einer der intensiven auf der Landkarte des Verbrechens und absolut sehenswert.

Der vierte Franken-Tatort läuft am kommenden Sonntag um 20.15 Uhr in der ARD. 

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