Auf den Spuren eines eigenwilligen Genies

24.7.2016, 12:07 Uhr
Auf den Spuren eines eigenwilligen Genies

© Foto: Harald Sippel

Auf den Spuren eines eigenwilligen Genies

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Auf den Spuren eines eigenwilligen Genies

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Friedrich Rückert kann man in der Rückschau durchaus als Star der Literatur-Szene bezeichnen. Denn damals, um die Mitte des 19. Jahrhunderts, schätzten, liebten und verehrten viele Zeitgenossen die Werke dieses so eigenwilligen Genies aus Schweinfurt, der seine wichtigste Schaffensphase in Erlangen verbrachte. Prinz Albert von Sachsen-Coburg und Gotha warb beispielsweise mit einem Rückert-Liebesgedicht um die Zuneigung seiner späteren Frau Victoria, der Königin von England. Vor dem Eingang zu den herrschaftlichen Schlafgemächern stand lange Zeit eine Büste des Dichters.

Das markante Gesicht begrüßt nun am Eingang die Besucher der Ausstellung „Der Weltpoet“, die nach der Präsentation in der Kunsthalle Schweinfurt nun bis Ende Dezember im Erlanger Stadtmuseum zu sehen ist. Die Schau zum 150. Todestag Rückerts, die für einen „White Cube“ konzipiert war und für die historischen Räume umgestaltet wurde, nähert sich dem „Dichter, Orientalisten und Zeitkritiker“ chronologisch.

Wir bewegen uns in einer begehbaren Biographie: Zu sehen gibt es viele Handschriften, Dokumente, Erinnerungs-Gegenstände, seltene Veröffentlichungen und Bilder. Gleichzeitig wird mit Querverweisen ein zeitlicher Kontext hergestellt. Mit Hilfe eines Audio-Guides erklingen Rückerts Verse und Gedanken.

Rückert selbst hat sein Leben als Teppich, an dem er ununterbrochen webt beschrieben. Dementsprechend bunt und vielfältig sind die Aspekte, die in solch einer Schau auftauchen. So wird zunächst nachgespürt, wie aus dem Sohn eines Thüringer Juristen und einer Schweinfurter Bürgerstochter ein Gelehrter und Intellektueller werden konnte, der mit seinem Schaffen bereits die Zeitgenossen zum Staunen brachte.

Immerhin: Über 40 Sprachen erlernte er. Fast 20 Schriftensysteme musste er dafür beherrschen. Wenn er sich die dafür notwendigen Wörterbücher nicht leisten konnte, schrieb er eigenhändig neue. Eine Lichtinstallation im Treppenaufgang des Stadtmuseums projiziert Buchstaben aus dem Armenischen, Persischen, Chinesischen, Sanskrit, Äthiopischen oder Hebräischen an die Wände und versucht so den Besuchern einen Eindruck von dieser Leistung zu vermitteln. Ach ja, neben einigen Bühnenstücken und Geschichten hat er fast 25 000 Gedichte verfasst.

Von 1826 bis 1841 lehrte er als „ordentlicher Professor für orientalische Sprachen“ an der Universität Erlangen. Eine Berufung, die auf besonderen Wunsch des Bayerischen Königs erfolgte — und keinesfalls auf Begeisterung bei den Erlanger Professoren stieß. Denn der wohl zwei Meter große, auffällige Mann war — davon berichten später auch seine Studenten in Berlin — für den Universitätsbetrieb nicht sonderlich geeignet. Zu sehr mit sich und anderen Dingen beschäftigt und zudem meilenweit entfernt von den üblichen Konventionen im zwischenmenschlichen Bereich.

In Erlangen begann er mit der Übersetzung des Korans, denn: „Weltpoesie allein ist Weltversöhnung.“ Hier entstanden nach dem Tod zweier seiner Kinder die „Kindertodtenlider“, die später Gustav Mahler vertonte. Auch mit der Rezeption, die von der Musik bis hin zur Verwendung von Rückert-Vorlagen für einen der ersten deutschen Zeichentrickfilme reicht, beschäftigt sich die Ausstellung ausgiebig.

Kritischer Beobachter

Im Laufe seines Lebens entwickelte sich Rückert immer mehr zum kritischen Beobachter seiner Zeit: In Gedichten geht es auf einmal um „Arbeitsteilung“. Die Industrialisierung wird ebenso kritisiert wie Umweltverschmutzung und der Rohstoffraubbau. „Die Welt wird je älter je kälter/ Immer mehr gehen die Wälder aus,/ Und der Urzeiten Kohlenbehälter/ Gehen auf in der Neuzeit Maschinenbraus“, heißt es in einem Manuskript von 1865.

Wer nach dem Gang durch die Ausstellung möglichst schnell das eigene Rückert-Defizit bekämpfen möchte, kann sich Blätter mit Gedichten mitnehmen. In Schweinfurt war diese Aktion so erfolgreich, dass die Erlanger Museumsmacher noch im Eiltempo nachdrucken mussten. Bei der Eröffnung am Sonntag werden die Verse aber hoffentlich bereit liegen.

„Der Weltpoet. Friedrich Rückert 1788—1866. Dichter, Orientalist, Zeitkritiker. Stadtmuseum Erlangen am Martin-Luther-Platz, Eröffnung am 24. Juli um 11 Uhr, bis 26. Dezember (Di./Mi./Fr. 9—17, Do. 9—20, Sa./So. 11—17 Uhr).

www.erlangen.de/stadtmuseum

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