Bildwelten voller Spannkraft und Dynamik

22.7.2014, 19:47 Uhr
Bildwelten voller Spannkraft und Dynamik

© Stefan Hippel

Bildwelten voller Spannkraft und Dynamik

© Stefan Hippel

Die Malerei ist mit all ihren Facetten vertreten. Neben neuen Arbeiten der vor Ort schon als zeitgenössische „Klassiker“ bekannten Künstler, zeigt die Schau vor allem eindrucksvoll, welche großen malerischen Talente in den letzten zehn Jahren an der Nürnberger Kunstakademie herangewachsen sind. Auch die Zeichner und Schöpfer filigraner, zeichenhafter Objekte haben einen starken Auftritt, sind zu einem eigenen Kabinett vereint, das sich so luftig- leicht wie spannungsvoll präsentiert.

Überhaupt ist dem Kunsthaus- Team unter der Regie von Joachim Bleistein eine schöne, kluge Inszenierung gelungen. Die Arbeiten gehen in jedem Raum stimmige Verbindungen ein. 20 Kunstpreis-Debütanten sorgen zusätzlich für frischen Wind, gleich zwei von ihnen wurden mit Hauptpreisen ausgezeichnet.

Mariko Tsunoka, 1985 in Japan geboren, erhielt für ihre surreale Berglandschaft im rosafarbenen Morgennebel den dritten Preis. Der erste Preis ging an den gebürtigen Italiener Andrea Barzaghi (Jahrgang 1988) für seine Öl-auf-Papier-Arbeit „Regal“. Hinter einem vollkommen leeren Regal streckt sich da ein Mann ganz unsinnig hoch, um ein kastenförmiges Objekt in kaum erreichbarer Höhe zu platzieren. Die Absurdität menschlichen Tuns wird da mit leisem Humor karikiert und zugleich ein Gefühl der Hilflosigkeit vermittelt.

Barzaghis Werk reiht sich ein in eine Galerie von Porträt- und Menschenbildern, deren gedämpfte Farbpalette der Zartheit oder intimen Versunkenheit der dargestellten Einzelfiguren eine große Eindringlichkeit verleiht – oder auch dem Dämonischen. „Il Gigante“ hat Nazzarena Poli Maramotti ihr wahrhaft düsteres Gemälde genannt, in dem die von Mythen faszinierte Italienerin einen Golem darstellt, der sich selbst aus Lehm und Schlamm erschafft.

Melancholisch wiederum mutet Jochen Pankraths Werk „Der Abschied“ an. Ein Sehnsuchtsbild auf den Spuren der Romantik, das eine einsame Gestalt auf einem Felsen am Meer zeigt. Doch Pankrath, der die Malerei gerne mit Humor hinterfragt, verscheucht die Wehmut gleich wieder, indem er Teile seiner Atelierwelt – die Malpalette, eine Farbtube – mit ins Bild rückt. 

Ein hinreißend doppelbödiges Werk, virtuos ausgeführt. Hätte der 1981 geborene Künstler nicht erst im vergangenen Jahr den Hauptpreis gewonnen, wäre er ihm diesmal wohl sicher gewesen.

Wirbelwind aus Farben

Im Raum gegenüber treffen Bilder von verschwenderischer Farbigkeit auf düstere Szenarien. Bei Christine Nikol bugsieren zwergengleiche Kinderfiguren ihre vollgepackten Schubkarren über die Leinwand. Sie lassen den Betrachter schmunzeln und wirken doch so heillos überfordert. Von großer Frische und Dynamik ist Regine von Chossys Gemälde „Jorgler“, das einen wahren Farb-Wirbelwind entfacht und einen Sonderpreis des Verlegers der Nürnberger Nachrichten, Bruno Schnell, erhielt.

Erstmals hat der Preisstifter zehn Arbeiten persönlich für die Ausstellung nominiert, darunter zwei Werke von aktueller Brisanz: In Günter Wangerins „Strandlandschaft“ liegt vorn eine angespülte Leiche, am rechten Bildrand ragt drohend eine schwarze Burg auf. Man denkt an die Flüchtlingskatastrophen und an die Festung Europa. Nicht minder erschreckend ist Steffen Blunks Bild einer toten Frau vor zerstörter Häuserkulisse. Der Titel, „Irgendwo ist Krieg“, ist mahnender Verweis auf die kriegerischen Konflikte dieser Welt.

Bildwelten voller Spannkraft und Dynamik

© Stefan Hippel

In spannende malerische Bildwelten entführen auch jene Künstler, die auf das Erzählerische weitgehend verzichten. Günter Paule, „der Maler mit der Flex“, wird in seiner ganz speziellen Technik immer virtuoser – und abstrakter. Sein in Rot- und Gelbtönen lodernder „Mooswald“ besticht als irrlichterndes Farbenspiel. Herwig Lewandowskis Meeresansicht „Ein Stiller Tag“ ist ein magisch aufgeladenes Sinnbild für Ruhe und Weite, bei Wolfgang Bühler dagegen drängt sich ein Felsmassiv vor dem tiefblauen Himmelsausschnitt bedrohlich nah in den Bildvordergrund.

Für das minimalistische Kontrastprogramm sorgen die Zeichner und Objektkünstler. Großartig sind die Tuschezeichnungen der 1983 in Südkorea geborenen Künstlerin Mina Kim. Auf den großen weißen Papierflächen wird die Landschaft zu winzigen Puzzleteilchen abstrahiert, die Wolken schweben als zarte Nebelschleier und Tupfengebilde darüber. Fast schwerelos wirkt Angelika Summas Objekt aus verknotetem, sprödem Draht. Und den verblüffendsten Effekt erzielt Hubertus Hess mit einem silberfarbenen „Wollstück“, das so löchrig und doch so weich und wärmend anmutet, tatsächlich aber eine Gussarbeit aus Aluminium ist.

Wie kostbare Ruinen

 Die gleichermaßen organisch wie technoid anmutenden roten Spinnengebilde von Carlos Cortizo wirken nicht zufällig so leicht und tänzerisch, hat sich der gebürtige Brasilianer vor Ort doch vor allem einen Namen als Tänzer und Choreograf gemacht. Die Bildhauer sind mit wenigen, aber markanten Werken vertreten.

Für dieses kleine, feine Bild bekommt Anna Maria Schönrock den 2. Preis.

Für dieses kleine, feine Bild bekommt Anna Maria Schönrock den 2. Preis. © Stefan Hippel

Für den stärksten Eindruck sorgt dabei Claudia Endres. Ihre aus zartblauem Azul Macauba Quarzit geschaffenen Türme gleichen architektonischen Zeugnissen aus uralter Zeit. Sie stehen wie kostbare Ruinen am Ende des Flurs, in dem auch die Schmuck- und Gerätkünstler mit einer kleinen, feinen Auswahl ihrer eleganten Kreationen vertreten sind.

Auch in der abgespeckten Form (seit 2013 wurde die Anzahl der Arbeiten deutlich reduziert, was der Wirkung der einzelnen Werke sehr zugute kommt) zeigt diese facettenreiche Ausstellung: Die hiesige Szene ist hochkarätig aufgestellt und die jungen Talente sind mächtig im Kommen. Wie wichtig das Engagement des NN-Verlegers für die mit der Region verbundenen Kunstschaffenden ist, betonte Jury- Vorsitzende Julia Lehner. „In einer Zeit, in der im Kulturbereich immer mehr gekürzt wird, ist es einmalig, dass der Preis in dieser Größenordnung aufgestellt bleibt.“

 Die Ausstellung im Nürnberger Kunsthaus (Königstr. 93) präsentiert 71 Arbeiten von 56 Künstlerinnen und Künstlern. Eröffnet wird die Schau heute um 20 Uhr. Der Zugang ist nur mit Einladungskarte und nach vorheriger Anmeldung möglich. Die Schau läuft bis 7. September (Di.–So. 10–18, Mi. bis 20 Uhr). Der Eintritt ist frei. Führungen (2 Euro) jeden Sonntag um 14 Uhr. Der Katalog kostet 15 Euro.

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