Buntes Festival in politisch bewegten Zeiten

31.5.2016, 10:01 Uhr
Buntes Festival in politisch bewegten Zeiten

© Foto: Harald Hofmann

Wie würde wohl ein Zeichner auf den Comic-Salon blicken, wenn er einen Strip mit charakteristischen Szenen dieses Festivals, das alle zwei Jahre in Erlangen stattfindet, kreieren sollte? Vielleicht mit dem Bild eines älteren Herren, der einen Rollkoffer voller Sammlerstücke hinter sich herzieht und bei der Comic-Börse nach fehlenden Magazinen sucht? Mit dem Manga-Mädchen, das im selbst genähten Heldenkostüm herumstolziert? Mit den Kindern, die durch die Messe rennen und sich Bilder für das extra zum Salon herausgegebene Sticker-Album in die Taschen stecken? Mit konzentrierten Menschen, die staunend durch die Ausstellung politischer Zeichnungen aus Indien gehen? Die Möglichkeiten sind schier unendlich. Denn der Internationale Comic-Salon Erlangen bietet seit vielen Jahren diese bunte Mischung aus Superhelden-Entertainment, Kinderbelustigung und gesellschaftspolitsch relevanten Themen — ein Mix, der die Massen anlockt. Deutlich über 25 000 Besucher wurden auch diesmal wieder gezählt.

Dass es bei etlichen Veranstaltungen der 17. Biennale weniger um Spaß oder ums Geschäft ging, war für die Festival-Macher vom Kulturamt der Stadt natürlich keine Überraschung. „Hier spiegelt sich vor allem eine Entwicklung der vergangenen Jahre wider. Es handelt sich nicht um eine Zäsur“, erklärt Salon-Leiter Bodo Birk mit Blick auf die vielen Veröffentlichungen, die sich kritisch mit Vergangenheit und Gegenwart auseinander setzen. „Politisch aufgeladen wurde das Festival durch die Ereignisse der vergangenen Wochen.“

Türkische „Charlies“

Zu Geständnissen führten die Comics und die Satire aus der Türkei: „Ich kann gar kein Türkisch“, sagte ein Besucher beim Gang durch die Räume. Denn diese Ausstellung deckte zwar die verlegerische und künstlerische Comic-Landschaft in der Türkei sehr gut ab. Doch es gab keine Übersetzungen zu den Sprechblasen der Bilder.

So blieb oft nur der zeichnerische Witz der Seiten übrig; trotzdem ein spannender Überblick. Und immerhin ein Slogan ist überall verständlich: „Je Suis Charlie“. Die drei Worte zierten nach den terroristischen Anschlägen in Paris im Januar letzten Jahres auch die Cover der türkischen Satiremagazine.

Als Statement für die Freiheit der Kunst ist sicherlich der Spezialpreis der Jury der Max- und Moritz-Preise für den ehemaligen Charlie-Hebdo-Zeichner Rénald Luzier alias „Luz“ zu verstehen. Er überlebte durch Zufall den Anschlag (weil er an diesem Tag zu spät zur Arbeit kam) und verarbeitete den Schmerz über die Ermordung seiner Freunde im Buch „Katharsis“. Da es für „Luz“ immer noch ein Risiko ist, in der Öffentlichkeit aufzutreten, konnte er nicht zur Gala nach Erlangen reisen. Bewegend seine gezeichnete Dankesbotschaft, die auf die Leinwand projiziert wurde.

Ebenfalls nicht anwesend – aus gesundheitlichen Gründen: die französische Künstlerin Claire Bretécher, die für ihr „herausragendes Lebenswerk“ geehrt wurde. Weiter ging’s mit Frauenpower. Den Preis für den „besten deutschsprachigen Comic-Strip“ erhielt das Internet-Projekt „Das Hochhaus. 102 Etagen Leben“ von Katharina Greve. Als „bester deutschsprachiger Comic wurde „Madgermanes“ von Birgit Weyhe ausgezeichnet, der „beste internationale Comic ist „Ein Sommer am See“ von Mariko Tamaki und Jillian Tamaki.

In der Kategorie „beste/r deutschsprachige/r Comic-Künstlerin/Künstler“ erfolgreich: Die Münchnerin Barbara Yelin, die in ihrer aktuellen Veröffentlichung „Irmina“ auf die Zeit des Nationalsozialismus blickt.

Apropos Gala. Dort gab es auch ein kleines Comic-Skandälchen: Patrick Wirbeleit, der zusammen mit Uwe Heidschötter für „Kiste“ den Preis für den besten Kinder-Comic erhalten sollte, glänzte nicht nur durch Abwesenheit, sondern setzte noch eins drauf. Solange so gute Zeichner wie Kim Schmidt und Sascha Wüstefeld ignoriert würden, könne er den Preis weder ernst- noch annehmen, ließ er ausrichten. Da verschlug es selbst der dauerquasselnden Moderatorin Hella von Sinnen kurzzeitig die Sprache. Das muss man erst einmal schaffen!

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