Commissario Brunettis 25. Fall

1.6.2016, 12:37 Uhr
Commissario Brunettis 25. Fall

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Über das Älterwerden macht sich Guido Brunetti relativ wenig Gedanken. Immerhin löst der selbst scheinbar alterslose Commissario seit 25 Jahren seine Fälle in Venedig mit demselben Elan und Engagement wie zu Beginn seiner Karriere. „Ewige Jugend“ – so der Titel des neuen Donna-Leon-Romans zum Dienstjubiläum – hingegen ist Brunettis Sache nicht. Für sich selbst schon gar nicht. Zu sehr schätzt er sein bisheriges Leben mit all seinen Facetten und Erfahrungen, inklusive dem über Jahrzehnte erworbenen Wissen.

Dass er sich nun mit einem seltsamen und sehr traurigen Fall befassen muss, der ein junges Mädchen zur „ewigen Jugend“ verdammte, hat er seiner Schwiegermutter zu verdanken: Wenn Contessa Falier zum festlichen Dinner in ihren Palazzo einlädt, hat auch Brunetti kaum eine Wahl. Doch dieses Mal geht es nicht um Belange seiner Schwiegermutter, sondern um die ihrer Freundin, der Contessa Demetriana Lando-Continui. Ihre Enkelin Manuela hatte im Teenageralter einen Unfall. Sie stürzte in einen Kanal und wäre ertrunken, hätte sie nicht ein Mann in letzter Sekunde gerettet.

Manuela allerdings ist seitdem nicht mehr dieselbe. Sie hat nunmehr das Gemüt und den Geistesstand eines kleinen Mädchens.

Die hochbetagte Großmutter sorgt sich um die Zukunft der mittlerweile 30-Jährigen, wenn sie nicht mehr da sein sollte. Das und die Hoffnung, Manuelas Zustand sei nicht von Dauer, treibt sie an, Brunetti für sich einzuspannen, denn sie hatte immer Zweifel am Hergang des Geschehens damals vor 15 Jahren. Es sind nur vage Ahnungen, und das ist für den Commissario mehr als mager. Aber wie stets zählt er zu den hilfreichen Geistern und macht sich an die Arbeit.

Wie Donna Leon (73) ihre Leitfigur aus einem Fall, der eigentlich keiner ist, eine für Brunettis Chef Patta hochwichtige Angelegenheit machen lässt, ist einfach köstlich. Dies und generell der genaue, oft humorige Blick der Autorin auf menschliche Schwächen und Unzulänglichkeiten machen ihre Lektüre, die sich – wie es Krimis nun mal eigen ist – auch mit Mord und Totschlag und anderen schlimmen Verbrechen befasst, so lesenswert und eben auch verhalten heiter.

Nicht zuletzt tragen Frau und Kinder Brunetti ebenso wie die Kollegen des Polizisten zum Suchtpotential dieser Reihe bei.

Apropos Mitarbeiter: Leon gibt der vor einiger Zeit zur Mannschaft der Questura gestoßenen Kollegin Brunettis, Claudia Griffoni, immer mehr Raum in ihren Romanen, was diesen gut tut – selbst wenn so eine entspannte Kollegenkooperation in der Praxis eher einem Idealbild entspricht. Nicht zu vergessen Signorina Elettra. Ohne sie wäre Brunetti wohl kaum in der Lage gewesen, Manuelas schreckliche Vergangenheit aufzuklären. Ansonsten ist der zuverlässige Vianello ebenso mit von der Partie wie der fiese Tenente Scarpa.

Und was hat die seit Jahren in Venedig lebende Amerikanerin noch mitzuteilen? Natürlich einen Seitenhieb auf die Politik, die europäische im Allgemeinen, die italienische im Besonderen. Ganz speziell in Bezug auf das Thema, das momentan die ganze Welt berührt: Flüchtlinge und Einwanderer. Donna Leon ist wie immer auf der Höhe der Zeit. Ihr Commissario in seinem 25. Fall natürlich auch.

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