Das Ding der Woche: Der meisterhafte Film "Foxtrot"

18.1.2019, 12:04 Uhr
Das Ding der Woche: Der meisterhafte Film

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Drei Soldaten klingeln in Tel Aviv an einer Haustür. Noch bevor sie ein Wort sagen, sackt die Frau, die ihnen geöffnet hat, ohnmächtig zu Boden. Die Uniformierten spritzen ihr ein Beruhigungsmittel und wenden sich an den Mann im Flur. Ihr Sohn, Jonathan Feldmann, sei im Einsatz gefallen. Dem knappen "es tut uns sehr leid" folgen nüchterne medizinische Ratschläge. Er müsse jetzt viel Wasser trinken, ein Handy-Alarm werde ihn stündlich daran erinnern.

Fern aller spektakulären Kriegsbilder öffnet "Foxtrot" den Blick auf die Hölle eines Landes, das in einem Teufelskreis feststeckt. Stumm hört Michael dem Militärrabbiner zu, der ihn über den genauen Ablauf der Trauerfeier informiert. Die Geschäftigkeit seines herbeigeeilten Bruders kann er kaum ertragen. Als Michael seine demente Mutter im Pflegeheim aufsucht, die seine Worte versteht, aber nicht ihren schrecklichen Sinn, erblickt er durch eine Tür vier alte Paare, die Foxtrott tanzen: Ein Schritt vor, zur Seite, zurück, zur Seite, zum Anfang. Der titelgebende Tanz, bei dem man im Viereck auf der Stelle tritt, wird zur Metapher für den Zustand Israels. Später, an einem ganz anderen Ort, wird sie in einer grandiosen, ekstatischen Szene noch einmal zitiert.

Bevor der Film an diesen anderen Ort führt, einen gottverlassenen Checkpoint an der Grenze zum Westjordanland, kehren die Soldaten zu Jonathans Eltern zurück – um ihnen mitzuteilen, dass es ein Irrtum war. Nicht ihr Sohn, sondern ein Soldat gleichen Namens ist gefallen. Michael besteht außer sich darauf, dass sie sein Kind nach Hause bringen.

Und wenn die Kamera dann abrupt an jenen Checkpoint springt, wird die ganze Absurdität eines sinnlosen Krieges offenbar. Jonathan ist einer der vier Wachposten. Tagsüber öffnen sie die klapprige Schranke für ein einsam durch die Wüste spazierendes Dromedar, nachts kontrollieren sie palästinensische Autoinsassen, während ihre Blechbehausung jeden Tag ein paar Zentimeter tiefer im Schlamm versinkt. "Alles, was du hier siehst, ist eine Illusion", sagt einer einmal. Als dann tatsächlich die Maschinengewehre losrattern, werden die Opfer mit dem Schaufelbagger entsorgt. Auch der Tod – nur eine Illusion.

In den Bildern und Geschichten, die Maoz anreißt, bringt er all die Tabuthemen seines Landes zum Sprechen: Den Hass und die Traumata, Schuld und Angst und die blinden Flecken in den eigenen Geschichten. Wenn der Film schließlich zu Jonathans Eltern zurückkehrt, hat sich die Spirale des sinnlosen Sterbens erneut weitergedreht. (DVD/EuroVideo)

 

Die Redakteure des NN-Feuilletons durchforsten regelmäßig die Riesenflut von Neuerscheinungen und Events und präsentieren einmal pro Woche ihr persönliches Highlight - "Das Ding der Woche".

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