Das Leben und die Literatur

27.5.2015, 15:32 Uhr
Das Leben und die Literatur

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Der berühmte Lubitsch-Touch steht in der Filmgeschichte für die Kunst des Regisseurs Ernst Lubitsch, schwere Themen mit Humor und einer gewissen Leichtigkeit zu behandeln. Heute kann man in Anlehnung daran mit gutem Recht von einem gewissen Dörrie-Touch sprechen: Ob Kino oder Literatur, die Handschrift von Doris Dörrie, ihr ganz eigener Ton, ist unverkennbar. Auch sie nähert sich ernsten Themen mit einer Mischung aus Melancholie und Heiterkeit, setzt aber auch auf Situationskomik.

Das ist auch bei ihrem gerade erschienenen Roman „Diebe und Vampire“ so, der von der Kunst des Schreibens handelt, aber die Kunst zu leben (und zu lieben) meint. Erzählt wird die Geschichte in drei Teilen jeweils aus der Perspektive von Alice, einer deutschen Schriftstellerin. Sie beginnt und endet in Mexiko. Und das ist kein Zufall, denn Doris Dörrie siedelt ihre Storys gerne dort an, wo auch ihre Filme spielen. Und ihr letzter Film, „Dieses schöne Scheißleben“, drehte sich um das Schicksal von Mariachi-Musikerinnen in Mexiko.

1984 verbringt die blutjunge Alice ihren Urlaub mit ihrem verheirateten Geliebten in einem Hotel an der mexikanischen Küste. Dort lernt sie eine amerikanische Erfolgsautorin kennen, die sie voller Bewunderung nur „die Meisterin“ nennt. Diese elegante Frau mit der eisernen Arbeitsdisziplin scheint alles im Griff zu haben – vom Handwerk des Schreibens bis zum Umgang mit Männern. So wie sie möchte Alice werden, trotz der Warnung „der Meisterin“, alle Schriftsteller seien Diebe und Vampire, die schamlos das Leben ihrer Mitmenschen ausplündern und aussaugen.

Alice lässt sich auch von der distanzierten Art der arrivierten Amerikanerin nicht abschrecken. Im Gegenteil: Sie will ihr beweisen, dass auch sie schriftstellerisches Talent hat, und beschließt, ihr Vorbild in San Francisco zu besuchen. Allerdings wird der Trip in die USA ein ziemliches Desaster, denn „die Meisterin“ hat zunächst weder Zeit noch Lust, die deutsche Nachwuchsautorin zu empfangen. Erst kurz vor der Heimreise kommt es zu einer kurzen Begegnung, bei der Alice erfährt, dass Schreiben immer auch Scheitern beinhaltet.

Der dritte Teil spielt Jahre später wieder in Mexiko. Alice, die in der Liebe kein Glück, aber inzwischen selbst einen Bestseller geschrieben hat, ist zu einem Autorenkongress eingeladen. Und nun treibt Doris Dörrie ihr raffiniertes Spiel mit Fiktion und Wirklichkeit auf die Spitze. Daneben gelingen ihr satirische Seitenhiebe auf den Literaturbetrieb und eitle Schriftstellerkollegen.

Alice leidet unter ihren Selbstzweifeln und einer Schreibhemmung. Letztlich geht es um die alte Frage, ob Leben und Literatur miteinander in Einklang zu bringen sind. Doris Dörrie hat darauf eine überraschende Antwort gefunden.

Mit leichter Hand und leisem Humor beschreibt sie das ewige Dilemma des Künstlers, der sich und seine Kunst verkaufen muss, indem er dafür sein Leben ausbeutet. Sie weiß auch, dass noch so viele Workshops für kreatives Schreiben diesen Konflikt nicht lösen können.

Dörries Kunst zeigt sich in den genau gezeichneten Porträts ihrer Protagonisten. Ihren hochfliegenden Pläne zum Trotz verheddern sie sich heillos in den Fallstricken der Liebe und den Zumutungen des Alltags. Auch künstlerischer Erfolg ist kein Garant für ein gelingendes Lebens. Diese bittere Erkenntnis verpackt Doris Dörrie beiläufig in ihrem nachdenklich-unterhaltsamen Roman, der eher einer schnell hingeworfenen Skizze als einem großen Gesellschaftspanorama gleicht.

Doris Dörrie: Diebe und Vampire. Roman. Diogenes Verlag, Zürich. 215 Seiten, 21,90 Euro.

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