Marlis Petersen brilliert als Lulu in München

29.5.2015, 17:25 Uhr
Marlis Petersen brilliert als Lulu in München

© Foto: Wilfried Hösl

Ein triumphaler Erfolg für diese Sopranistin von Weltklasseformat, die „das schönste, gefährlichste Raubtier – das Weib“ , wie der Tierbändiger im Prolog programmatisch verkündet, so hinreißend singt und verkörpert, dass es die Premierenbesucher im Nationaltheater schier elektrisierte.

Ein Sopran, der all die schwierigen, geradezu schwindelerregenden Koloraturhöhen grandios meistert und voll immenser Ausdruckskraft geradezu vibriert. Wenn Marlis Petersen zu Beginn im neckisch-weißen Negligé als Kindfrau und Vamp den Männern jeglichen Alters und Standes den Kopf verdreht und am Schluss — immer noch in unschuldig-weißen Hemdchen und Höschen — als in der Gosse gelandete Hure in London von Jack the Ripper gemeuchelt wird, geht die Darstellung vom rasanten Aufstieg und tiefen Fall dieses „Teufelsweibes“ in Verbindung mit dem hochdramatischen Gesang ganz gewaltig unter die Haut.

Anfängerin in Nürnberg

Atemberaubend singt und spielt Marlis Petersen diese Figur, die Frank Wedekind in seinen Dramen „Erdgeist“ (1898) und „Die Büchse der Pandora“ (1904) geschaffen und Alban Berg in seinem „Lulu“-Libretto von 1929 so kongenial umgesetzt hat. Als Anfängerin in Nürnberg teilte Eberhard Kloke damals die Rolle aktmäßig auf Petersen, Anne Lünenbürger und Annette Robbert auf. Nun ist Petersen, die seit langem in Athen lebt, in ihrer 12. (!) „Lulu“ im Einsatz.

Zu einem Fest der Stimmen geriet diese Neuproduktion auch dank Daniela Sindram (übrigens eine gebürtige Nürnbergerin) als Gräfin Geschwitz mit leuchtendem Mezzosopran, Bo Skovhus als Lulus masochistisch leidender Dauerliebhaber Dr. Schön mit warmem Bariton sowie Rainer Trost als Maler und Matthias Klink als Dr. Schöns Sohn Alwa mit betörenden Tenorstimmen.

Dazu befeuert Kirill Petrenko das Orchester der Bayerischen Staatsoper mit immenser Leidenschaft und Impulsivität, Alban Bergs aufwühlend-sinnliche Komposition zelebriert er als Paradebeispiel der Zwölftontechnik mit bisweilen noch spätromantischen Anklängen. Vor allem den von Friedrich Cerha nach Alban Bergs Entwürfen vollendeten 3. Akt präsentierte Petrenko als mitreißendes Wechselbad aus hochsensiblen Klängen und rasant vorwärtsdrängenden, ungemein expressiven Tonfolgen.

Allzu kühl geriet dagegen die Inszenierung des russischen Regisseurs und Bühnenbildners Dmitri Tscherniakov. Ein spiegelndes Glaslabyrinth stellte er auf die Bühne, das wohl die verschlungenen Pfade zu Lulus vielschichtigem Wesen und Seelenleben symbolisieren soll und doch nur ein Glaskasten mit geringer atmosphärischer Dichte blieb. Noch dazu wenn der Regisseur in den Zwischenszenen die Statisterie der Staatsoper als stummes Orchester agieren und mit Pantomimen zu Liebe, Hass und Sexspielchen in Zeitlupe agieren ließ. Weshalb er von einem Teil des Premierenpublikums denn auch kräftige Buhrufe einstecken musste, während das Sängerensemble, allen voran natürlich Marlis Petersen, und auch Dirigent Kirill Petrenko mit enthusiastischem Jubel bedacht wurden.

Weitere Aufführungen: 29. Mai, 3., 6. und 10. Juni. Karten: Tel. 0 89 / 21 85 19 20. Die Vorstellung am 6. Juni wird auf www.staatsoper.de/tv kostenfrei übertragen.

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