Das Wesen des Winters im Hinterland

7.3.2013, 00:00 Uhr
Das Wesen des Winters im Hinterland

© Ceylan/Aus der Ausstellung

Schneelandschaften, Schneereste, Schneeflocken sind der Stoff, der den Filmen von Ceylan eine stille, allgegenwärtige Melancholie anhaften lässt. Auch seine berühmtesten Leinwanderzählungen – „Uzak“ und „Es war ein mal in Anatolien“ –, für die er bei den Filmfestpielen in Cannes jeweils den Großen Preis der Jury erhielt, transportierten das Licht des Winters.

Da erscheint es als eine Ironie des Schicksals, dass nun ausgerechnet Schneeprobleme die Anwesenheit bei seiner Deutschlandpremiere als Fotograf in Nürnberg verhindern. Denn während die Metropole Istanbul aktuell in tiefem Weiß zu versinken droht, hat der Winter im eigentlich als schneesicher geltenden Inland der Türkei, im gebirgigen Kappadokien, heuer kaum Spuren hinterlassen.
Weil der Winter so lange ausblieb, ist Ceylan mit seinen aktuellen Dreharbeiten derart in Verzug, dass eine Reise zur Vernissage unmöglich wurde. Immerhin: Seine großartigen Fotografien sind da. Und wie!

Das Wesen des Winters im Hinterland

© Ceylan/Aus der Ausstellung

Die karge. bäuerliche Welt der türkischen Pampa als harte Winterwelt nah an der Natur lässt den Blick von links nach rechts schweifen, als taste man eine Cinemascope-Fotografie ab. Nur, dass Ceylans berückende Sichtungen von Menschen und Steinmauern, Halbstarken und Schäfern, Schluchten, Buchten und gebirgigen Weiten in meist erdfarbenen Tönen die Cinemascope-Breite gar noch sprengen. Wache Ansichten eines Neugierigen sind das, die doch den Filmemacher im Fotografen erkennen lassen. Ceylan, für dessen Bilder man sich aktuell gar im New Yorker Museum of Modern Art interessiert, gilt als einer, der sich Zeit nimmt. Der oft tagelang auf die ideale Bildkomposition wartet. Das sieht man seinen Werken an – Findungen, in denen Menschen jedweden Alters ebenso selbstverständlich dazugehören wie Schafe, Tauben, Esel. Oder Pfützen im Nebel und Falten im Gesicht. Bei allen 53 Aufnahmen handelt es sich um digital nicht veränderte Bilder. Ceylans Blick auf die Welt ist eine Erfahrung, die Nähe wie Ferne klar erleben lässt. Ausschließlich genährt von natürlichem Licht und Schatten.

Die Fotoarbeiten sind bei der Suche nach Drehorten entstanden, als Arbeiten jedoch autonom. Da steht der halbwüchsige Sohn des Fischers im Spitzwinkel der Bucht, alles was sein Leben ausmacht dahinter: der Vater, das Boot, das Wasser und die Weite. Da kickt die Fußballmeute nahe dem Berge Ararat, während am Rande der Menge ganz beiläufig einer die Bildkulisse verlässt – ein Esel.
Die Finessen seines Handwerks hat der 1959 zwar in Istanbul geborene, doch in der Westtürkei aufgewachsene und mit den abgelegeneren Nestern seiner Heimat sichtlich verbundene Ceylan früh gelernt. Sein Studium soll er mit dem Anfertigen von Passfotos teilfinanziert haben. In Nürnberg war der Fotograf, Regisseur, Drehbuchautor und Produzent, der immer wieder einen Teil seines Familienclans in seine Arbeiten mit einbezieht, bereits mehrfach beim Filmfestival Türkei/Deutschland zu Gast. Dieses Mal wird er es womöglich erst nach dem Festival nach Franken schaffen – im April, wenn das Filmhauskino in einer Sonderreihe sämtliche Leinwandarbeiten von ihm zeigt.

Bis 5. Mai; Kunsthaus, Königstr. 93, Nürnberg; Di.–So. 10–18 Uhr, Mi. bis 20 Uhr, Eintritt frei.

 

Zur Person:  Nuri Bilge Ceylan 

Filmregisseur, Drehbuchautor, Filmproduzent und Fotograf Nuri Bilge Ceylan, Jg. 1959, debütierte in den Kinos 1995 mit seinem Kurzfilm "Koza", der prompt gleich von der Türkei in den Wettbewerb der Filmfestspiele nach Cannes geschickt wurde. Mit weiteren Regiearbeiten wie "Bedrängnis im Mai" oder "Jahreszeiten" festigte er seinen Ruf. 2003 und 2011 gewann er den Großen Preis der Jury in Cannes.Als Fotograf schuf er die Werkgruppen "Frühe Fotografien" (1982/1989), "Türkei Cinemascope" (2003/2009) und "Für meinen Vater" (2006/2008).
Die Nürnberger Schau zeigt Fotos der Jahre 2003 bis 2006.
 

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