Der alternative Messias

30.11.2015, 18:30 Uhr

Da öffnen sich Räume für stilistische Vergleiche. So hat Mozart den „Messias“ gegenüber dem Original mit einem stärker besetzten Bläsersatz ausstaffiert. Ihm geht es weniger um den an bestimmte Affekte gebundenen Ausdruck als um das Kolorieren von natürlichen Empfindungen. Damit entsprach er einem neuen ästhetischen Gefühl, dem „aufgeklärten“ Geist der josephinischen Epoche.

Mag Mozart auch die Arien aktualisiert, das harmonische Gefüge und Tempi geändert oder sie anderen Stimmen zugeordnet haben: Die Form der Arien blieb unangetastet. Und unverändert erscheinen die Chorsätze, auch wenn Mozart sie auf Harmonie setzte und zu den Füllstimmen der Hörner und Trompeten noch Holzbläser hinzufügte, um die Oberstimmen im Chor zu begleiten. Im farbreichen Klang des Orchesters (mit Klarinetten, Posaunen, ohne hohe Trompeten) steuert Rumstadt akkurat, aber mit weich fließenden Sostenuto-Phrasierungen das Messias-Drama. Der engagiert und gleichbleibend tonschön singende Hans-Sachs-Chor gibt den „Einzug des Herrn“ festlich, macht ihn mit überrumpelndem Effekt der fugierten Teile zum Halleluja-Jubel.

Eindrucksvoll werden die Arien gesungen, die Mozart durch „Bläserharmonien“ ausstaffiert hat. So macht Idunna Münch (Mezzo) aus der zentralen Arie „Er ward verschmähet“ ein kantables Glanzstück. Ein wenig sanftmütig deutet die Sopranistin Katharina Warken „Er weidet seine Herde, ein guter Hirt“. Vokale Höhepunkte hört man vom Bassisten Thomas Faulkner, vor allem in der klangmächtig aufgezogenen Arie „Warum entbrennen die Heiden und toben im Zorne“. Fabelhaft führte sich der Tenor Uwe Stickert im ersten Teil
mit Accompagnato-Rezitativ „Tröstet Zion“ ein. Der Verkündigung der Geburt Christi, wo Intervallsprünge die positiven Regungen der Freude und des Jubels versinnbildlichen, gibt der Chor prägnantes Profil.

Die dramatisch gestraffte, gegenüber dem Händelschen Original gekürzte Mozart-Version gilt eher als Ausnahmeerscheinung denn als vollwertiger Beleg für das aktuelle Händelverständnis, das seine Impulse aus den historisch artikulierten Klangvorstellungen bezieht. Doch hörenswert ist der Alternativ-Messias allemal, auch wenn die klangliche Ästhetik noch kantiger, pointierter hätte ausfallen können.

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