Journalist und Franken-Versteher

Der Herzens-Franke Klaus Schamberger wird heute 75

14.3.2017, 05:58 Uhr
Der "Spezi" unterwegs: Der eingefleischte Nürnberger Klaus Schamberger wagt sich sogar nach Fürth, sozusagen in die Höhle des Löwen, wenn es sein muss.

© Foto: Hans-Joachim Winckler Der "Spezi" unterwegs: Der eingefleischte Nürnberger Klaus Schamberger wagt sich sogar nach Fürth, sozusagen in die Höhle des Löwen, wenn es sein muss.

Klaus Schamberger hat einen Wikipedia-Eintrag und da steht unter anderem drin, dass der "Glubb a Debb" ist und er selber, also Schamberger, ein "Humorist". Zumindest der letzteren Einschätzung sei hier heftig widersprochen. Unter einem "Humoristen" nämlich stellt man sich doch irgendwie so einen Witze-Onkel vor, der sein Publikum mit Zoten und schlechten Kalauern nervt bis zum sprich-wörtlichen Abwinken. Schamberger auf diese Stufe zu stellen, wäre ungefähr so richtig wie zu sagen, dass der "Glubb ka Debb" ist.

Allein schon dieser kurze, legendär gewordene Satz über den 1. FCN beweist ja, dass Humor, richtig angewandt, ein scharfes zweischneidiges Schwert sein kann: es trifft nicht nur einen Gegner, es kratzt auch an der eigenen Oberfläche. Dieser Humor denunziert nicht, er macht sich nur auf den ersten Blick über etwas lustig und zielt viel tiefer: mitten ins Herz, das liebt und mitleidet mit dem geschundenen Objekt der Begierde.

Wer über Schamberger lacht, lacht über sich selber

So gesehen ist Klaus Schamberger schon immer ein Zeitgenosse gewesen, dem das Menschliche und oft genug auch das Allzumenschliche auf der Seele brennt, einer, der sich sorgt um das Befinden der Leute, weil er besorgt ist über die Zeitläufte. Und wer über das, was Schamberger schreibt, lacht (und wer täte das nicht!), der lacht unwillkürlich auch über sich selber.

Wir treffen uns ausgerechnet in Fürth, was schon beweist, dass Schamberger einer ist, der ohne Bedenken über seinen eigenen Schatten springen kann. Als eingefleischter Nürnberger, wo er heute genau vor 75 Jahren geboren wurde, fällt ihm der Gang über die Stadtgrenze nicht schwer, obwohl auch er als Kind noch vor der Nachbarstadt gewarnt wurde: "Ich hab lange gedacht, Fürth ist so eine Art Vorhölle." Die Rivalität zwischen den beiden Kommunen ist für ihn aber ein "Gschmarri".

Ein anderes Wort dafür gibt es nicht, und Schamberger schwillt der Hals, wenn er an die Feindschaft allein schon unter den Fußballfans denkt. Man müsse, sagt er, das Verhältnis historisch betrachten, und da schneide Fürth in Sachen Toleranz einfach besser ab als Nürnberg, wo zum Beispiel die Juden vor Jahrhunderten ausgewiesen wurden. Schamberger lässt sich da nicht patriotisch vereinnahmen und bleibt ein Grenzgänger.

Und wie gerufen taucht jetzt aus dem hinteren Winkel des "Gelben Löwen" ein Mann auf, der Schamberger kurz anvisiert und dann laut in den Raum der Wirtschaft ruft: "Gell, hob i mir doch dacht, dass des der Spezi is!" Man kennt und erkennt ihn in Franken, und für Schamberger ist das immer noch mehr Segen als Fluch.

Es schmeichelt, gibt er unumwunden zu, ein wenig seiner natürlichen Eitelkeit und es macht ihn stolz, etwas geschaffen zu haben, das bleibt. Über 40 Jahre war er schließlich als "Der Spezi unterwegs": als Kolumnist der Nürnberger Abendzeitung hat er wöchentlich die Untiefen der fränkischen Eigenarten ausgelotet und die provinzielle Lebens- und Denkungsart mit dem Weltgeschehen kurzgeschlossen. Die schiefere Bedeutung der Ereignisse hat ihn immer mehr interessiert als die offizielle Einschätzung.

Das war nie humorig, vielmehr satirisch und, immer hinterhältig und sprachspielerisch perfekt, vor allem kritisch-politisch. Und "links, wo das Herz ist", wie Leonhard Frank schrieb. Schamberger hatte ihn noch, den "roten Großvater", der für die SPD im Nürnberger Stadtrat war und 1933 nach Dachau (zusammen mit Karl Bröger) zur "Umerziehung" kam. Die schlug fehl, natürlich. Also wurde dieser Mann zum Lebenslehrmeister.

Schon für den jungen Klaus, der sich im verstaubten Nürnberger Plüsch-Café "Abel" fühlte wie in einem Wiener Kaffeehaus. Er las Kästner und Hašek, liebte Peter Altenberg und Joseph Roth und wollte so werden und schreiben wie die. Oder wie der Siggi Sommer, der Journalist der Münchner Abendzeitung, der als "Blasius" die Ungereimtheiten der Welt aufspießte. Schamberger volontierte beim Nürnberger Ableger (damals noch ein richtiges "Revolverblatt"), wurde dort zum "Spezi", zum Gerichtsbeobachter, der "um Milde" bat, zum Sportredakteur, später zum Leiter der Redaktion.

"Boulevard" war für ihn nie ein Schimpfwort, nur eben eine andere Form, Nachrichten und Wahrheiten zu verpacken. Mit ihm zusammen wurde das 8-Uhr-Blatt in Nürnberg zur Institution. Deren Niedergang und Ausverkauf (2012 wurde sie nach vergeblichen Rettungsversuchen eingestellt) schmerzte ihn sehr.

Allen Abwerbeversuchen (die Bildzeitung wollte ihn, gar der Stern) widerstand er, Franken blieb sein oft genug holpriges (Kopfstein-)Pflaster, auf dem er seine Themen fand: die kleinen Notizbücher, wie sie auch Bruce Chatwin verwendete, sind voll mit Augenblicken, Nebensächlichem, Aufgeschnapptem.

Heute schreibt er seine Glossen regelmäßig für die Nürnberger Zeitung und den Bayerischen Rundfunk. Die Lokalspitze wird bei ihm zur Weltspritze (auch wenn er an die Heilung der Welt, gerade in diesen seltsamen Zeiten, nicht mehr recht glauben möchte). Doch was sich so unbeschwert liest, ist für Klaus Schamberger immer noch harte Arbeit. Gerade das Leichte ist schwer – und was man in fünf Minuten mit Amusement konsumiert, ist in Stunden schwer geboren worden.

Durch die Wirtsstube in Fürth läuft ein kleines Kind und jemand sagt: "Der hat ja die Ohren von sei'm Vadda!" Das ist ein Satz, über den Schamberger so wunderbar lachen kann, dass die weiße Schnorrn zittert. Ans Aufhören könne man doch da gar nicht denken! Also notiert er weiter in sein Büchlein, auf dem vorne drauf "Allmächd!" steht. Und da denkt man, dass dieses schönste fränkische Wörtchen doch eigentlich vollauf genügt, um den Menschen Klaus Schamberger und seine Kunst zu beschreiben.

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