Der Modefotograf F.C.Gundlach in Nürnberg

25.2.2011, 18:16 Uhr
Der Modefotograf F.C.Gundlach in Nürnberg

© Hagen Gerullis

Er erzählt gern, und erzählt viel. Das ist erfreulich, denn er hat eine Menge zu erzählen. Der Modefotograf Franz Christian, kurz: F.C.Gundlach wird im Juli 85, doch davon ist nichts zu spüren in den Räumen des Neuen Museums am Klarissenplatz, wo er im Vorfeld seiner dortigen Ausstellung Interviews gibt.

Rund 250 Bilder von den 50er Jahren bis heute werden zu sehen sein, darüber hinaus jeweils 100 Titelblätter von Zeitschriften wie „Film und Frau“ oder „Brigitte“. Sein Thema, betont er, sei immer der Mensch gewesen – schon zu Beginn seiner Karriere, als er noch Reportage-Fotografie machte. Sehr bald aber habe er sich spezifiziert und Richtung Mode entwickelt. Aber auch da müsse man sich immer ein „frisches Gefühl für den Augenblick, für die Veränderung“ bewahren.

Magische Momente in der Dunkelkammer

Die in Rotlicht getauchte Dunkelkammer seines Onkels brachte ihn als Jugendlichen auf den Weg. „Da war ein weißes Blatt Papier, das legte man in eine Flüssigkeit rein und plötzlich erschien was“ – es müssen magische Momente gewesen sein, von denen man im digitalen Zeitalter nur träumen kann. Bald funktionierte er das heimische Bad zur eigenen Dunkelkammer um und besetzte es, zum Leidwesen der Familie, oft stundenlang.

Dass er nach dem Krieg in eine private Schule für Fotografie in Kassel aufgenommen wurde, sei eher Zufall gewesen; dass er bleiben durfte, hatte er schon einer besonders gelungenen Aufnahme zu verdanken. Ein purer Amateur sei er damals unter den Profis noch gewesen; Gundlach freut sich noch Jahrzehnte später über sein Glück – und sein Talent. „Und ausgerechnet ich war der einzige von der Schule, der später Karriere gemacht hat“, sagt er lachend.

Die begann – wo sonst? – im Paris der 50er Jahre. Das sei damals noch das Zentrum der Kunstwelt gewesen, mit dem Viertel St.-Germain des Prés als Brennpunkt. Es war Jean Cocteau, der ihm die Tür zu den (französischen) Filmstars öffnete, und zwar – Gundlach hatte sich im Tag geirrt – im Morgenrock. Der bei diesem poetischen Dandy nur aus Seide gewesen sein kann.

Im Auftrag von „Film und Frau“ machte Gundlach kurz darauf erstmals eigene Modestrecken. Der erste Star vor seiner Kamera war die ganz junge Ruth Leuwerik. Drei volle Tage verbrachten sie zusammen. „Sie hatte keine Ahnung, ich hatte keine Ahnung, aber wir haben uns amüsiert und es kamen ganz lustige Bilder heraus“, erinnert er sich mit Vergnügen.

„Film und Frau“ sei das damalige Zeitgeist-Blatt gewesen – aus heutiger Sicht kaum noch nachvollziehbar; zumal es auch den Rückfall der Frau in alte Rollenmuster spiegelte, wie er mit der Heimkehr vieler Männer aus der Kriegsgefangenschaft begann.

Immer wieder standen Filmschauspielerinnen dem Fotografen Modell; was eine völlig andere Arbeitsweise erforderlich macht als mit professionellen Mannequins, wie er betont. Ein Schauspieler orientiere sich an einem Text und einer Figur und brauche die Kontinuität des Spiels. „Wenn ein Schauspieler sozusagen für sich stehen muss, fällt ihm das vor der Kamera wesentlich schwerer als wenn er in einer Rolle ist“. Dafür sei Romy Schneider ein prägnantes Beispiel gewesen, „die sehr unsicher war, wenn sie für sich selbst stand und sich nicht hinter Rollen verstecken konnte.“

Gundlach traf die damals gerade 23-Jährige 1961 in Hamburg in seinem Studio, Außer ihr sei nur er sowie ein Assistent anwesend gewesen. In dieser intimen Atmosphäre sei die mit ihrem öffentlichen Image so unglückliche „Sissi“–Darstellerin allmählich locker geworden. „Bei den ersten Bildern sieht man noch, wie sie Faxen macht, also ihr Routine-Klischee abliefert“, erinnert sich Gundlach sehr genau; dann erst habe sie ihre Persönlichkeit offenbart. Eine dieser Aufnahmen ist in Nürnberg ausgestellt. „Da sieht man schon die Biografie, die ganze Tragik ihres Lebens“, so Gundlach. Sie habe sich die Bilder dutzendeweise bestellt – weil sie sich so gut erkannt gefühlt habe.

Nur Boxerhund Boris war Zeuge

Er könnte wohl Hunderte solcher Geschichten erzählen. Etwa vom Fototermin bei Sophia Loren in Rom, die wegen ihrer, nun ja: üppigen Formen in keines der Cocktail-Kleider passte, die er mitgebracht hatte. Das amüsiert ihn noch heute. Die Italienerin, schon auf dem Weg zur Diva, musste letztendlich in den eigenen Kleiderschrank greifen.

Oder von seinem Hund Boris, einem Boxer, der spürte, dass zwischen Model und Fotograf eine Art toter Raum liegt, in dem er, ohne zu stören, ganz nah bei Herrchen sein konnte.

Heute fotografiert Gundlach nur noch selten. Die radikale Erneuerung der Modefotografie in den 1990er Jahren – Stichwort „Heroin-Chic“ – kann der Fotograf, der für sich selbst übrigens ein gediegen-klassisches Outfit mit hanseatischem Touch bevorzugt, nicht nachvollziehen. Die immer jüngeren, immer dünneren Models bräuchten außerhalb des Rampenlichts eigentlich soziale Betreuung, meint er.

Aber auch das sei vermutlich nur eine vorübergehende Erscheinung. Denn das einzig permanente Element der Mode sei der Wandel, sagt er, und lächelt fein.

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