Der Punk, der nie einer war

23.5.2018, 19:05 Uhr
Der Punk, der nie einer war

© F.: Michael Matejka

Der inzwischen 69jährige Peter Hammill ist musikalisch ein Urgestein. Mit der "Progressive Rock"- Gruppe Van der Graaf Generator schrieb er Musikgeschichte. Dutzende Platten unter eigenem Namen hat der englische Singer-Songwriter seit diesen produktiven Anfängen in den späten Sechzigern und frühen Siebzigern inzwischen eingespielt, die sich wie Jahresringe um seine Biografie legen. Und so schöpft auch die Dramaturgie seiner zwei Nürnberger Konzerte aus dem Archiv und wählt meist einen Titel pro Album aus.

Wer mehr zur Musik erfahren möchte, muss sich auf seine eigenen Erinnerungen verlassen. Lässig nimmt Hammill einen Schluck aus seinem Rotwein-glas, bleibt wortkarg zwischen den Songs, und schon geht es zum nächsten Stück.

Solche Soloauftritte eröffnet der schlanke Brite üblicherweise mit einem Set am Flügel. Schon mit den ersten Takten entführt er die Hörer im gut besuchten Festsaal des Künstlerhauses in die Tiefen verstörend melancholischer Songs und Sujets. Seine Stimme verzahnt sich mit dem Spiel am Klavier zu einer Erzählmaschinerie, welche den Hörern die gewohnten Banalitäten von Strophe und Refrain erspart.

Noch heute ist jeder seiner Songs in Struktur und Inhalt ein kleines poetisches Kunstwerk: Deren Narrative bedienen sich gerne der Rätselhaftigkeit intellektueller Sprachspiele und lyrischer Bilder. Begriffe wie "Torpor" und "Anagnorisis" schaffen bei Hammill den Sprung vom Fremdwörterlexikon direkt auf die Titelliste des aktuellen Albums "From the trees".

Liebhaber hierfür gibt es noch viele. Sie sehen es dem Sänger nach, dass ihm stimmlich enge Grenzen gesetzt sind, die er mit der häufig eingesetzten Pose des wütenden alten Mannes zu überspielen versucht. Dennoch: Die Kraftfelder seiner musikalischen Versuchsanordnungen wirken noch immer. Nach ein paar Songs wechselt er zur Akustikgitarre, um am Ende des Konzertes wieder ans Tasteninstrument zurückzukehren.

Sein Versprechen löst er ein: Keine einzige Song-Dublette ist bei den zwei Konzerten zu hören. Dass der zweite Abend deutlich emotionaler und energiegeladener über die Bühne geht, verdankt sich auch dem im Vergleich zum ersten Konzert deutlich zupackenderen Gitarrenset im Mittelteil, bei dem er mit offener Stimmung fast den Punk raushängen lässt, der er eigentlich nie war.

Peter Hammill ist ein Leben lang ein kompromissloser Künstler, der fernab vom Mainstream seiner künstlerischen Mission konsequent folgt. Ein Handwerker, der nicht aufhört, seine Gedanken und Wahrnehmungen diszipliniert in Musik zu verwandeln: seine Musik. Da kann man nur staunen und zuhören. Am Ende beider Konzerte war der Rotwein seines Glases geleert. Hammills Fässer sind es noch lange nicht.

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