Der Zauber wirkt noch immer

11.3.2013, 00:00 Uhr

Das Fauré-Quartett spielt schon mal im Berghain, dem legendären Hauptstadt-Klub, um junges Publikum zu angeln. Diese Experimentierlust blitzte auch beim Nürnberger Konzert kurz auf — als das seit Mitte der 90er Jahre in gleicher Besetzung bestehende Klavierquartett die luftige Instrumental-Version des Songs „Gatekeeper“ als letzte Zugabe verführerisch im Raum stehen ließ.

Vor dieser fein schraffierten, sublimen Skizze — die originalen Melodielinien stammen von der kanadischen Star-Songwriterin Leslie Feist – lag ein wenig überraschendes Konzertprogramm, das an die frühen Jahre der vier aneinander geschulten Ausnahmekünstler erinnern durfte. Zwei Werke von Fauré und Dvorák finden sich bereits auf einer ersten CD, die das Quartett im Jahr 2000 als Preisträger des Deutschen Musikwettbewerbs veröffentlichen konnte. Noch immer klingt Dvoráks von furiosen Temperamentsausbrüchen im folkloristischen Dialekt befeuertes Es-Dur-Klavierquartett Opus 87 wie neu entdeckt.

Nur ist es diesmal nicht das Opus 15, sondern das Opus 45 des Namensgebers Gabriel Fauré, das in naturhaftem g-Moll mittels raffinierter Klangmagie in den Streicherstimmen und subtilem Atmosphärenzauber den Gegenpol bilden darf.

Solche Kontinuität, die das Repertoire auch wohltuend erdet und vor Oberflächenreizen schützt, fordert ein höchst individuelles Klangbild und interpretatorische Eigenheit geradezu heraus. Die balsamisch dahinströmende, weich timbrierte und doch durchsetzungsfähige Erste Violine von Erika Geldsetzer hat mittlerweile einen Grad der Verschmelzung erreicht im Quartettklang, dass man seinen Ohren und der Stimmführung zuweilen nicht mehr trauen mag – und vorsichtshalber doch den Blick zur Bühne bemüht. Das klingt fast „bratschenhaft“ gepolstert in den tieferen Lagen – sowie schlank, rank und quecksilbrig in der Höhe.

Die Balance zwischen hochexpressivem Ausdrucksspiel und durchdachten, fein gewirkten Reflexionen halten Sascha Frömbling an der Bratsche und Konstantin Heidrich am Cello mit einer Souveränität, die langjähriger Erforschung der eigenen Grenzen entspricht. Dieser Tiefenschärfe blieb die Klavierstimme von Dirk Mommertz hartnäckig auf der Spur. Der Fauré-Zauber wirkt noch: Wunderbar elegisch im Kopfsatz, quirlig und rastlos das spukhafte Allegro, skandinavisch angehaucht das berückende Adagio und wild entschlossen der Finalsatz – so wirkt der französische Pate überaus vital.
 

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